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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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»Jeannot, du hast dich zum Narren halten lassen. Fer-Blanc ist ein Bekloppter.«
    Claude warf Shampoo einen mörderischen Blick zu, doch der ließ sich davon nicht beeindrucken. Das viele Geld hatte ihn in Rage gebracht.
    »Ihm ist bei Erdarbeiten ein Stück Metall in den Schädel geflogen. Es steckt immer noch in seinem Hirn, und man sieht es sogar. Die Zeugenaussage eines solchen Irren ist nicht einen Cent wert. Claude hat dich verarscht!«
    Claude schüttelte den Kopf und blickte Janusz listig an.
    »Die Bullen sehen das anders. Sie haben ihre Aktennotiz mit dem Tatort verglichen. Die teilweise verbrannte Leiche, die Flügel – alles passte. Und das war einen Tag, ehe die Wanderer den Toten fanden.«
    »Hat die Polizei den Zeugen gefunden?«
    »Keine Ahnung.«
    Janusz nickte Claude einen kurzen Gruß zu und wandte sich zur Treppe. Shampoo folgte ihm. Nachdem er das Geld gesehen hatte, würde er sich nicht so schnell abschütteln lassen. Umso besser. Janusz brauchte jemanden wie ihn, um Fer-Blanc zu finden.
    Ehe er sich jedoch auf die Suche nach dem Obdachlosen machte, wollte er sein Wissen in griechischer Mythologie auffrischen. Er musste die Mythen von Minotaurus und Ikarus nachlesen.

D ie größte Bibliothek von Marseille steht am Cours Belsunce an der Stelle eines Kabaretts aus dem frühen 20. Jahrhundert, dem Alcazar. Die moderne Glasfassade des Gebäudes besteht aus spiegelndem Glas. Nur der Eingang der ehemaligen Bühne im Stil der Belle Époque blieb erhalten. Das schmiedeeiserne Vordach bildet einen extremen Kontrast zum zeitgenössischen Design des Bauwerks.
    Janusz wusste nicht, woher er diese Informationen hatte, freute sich aber, dass nach und nach sogar Bruchteile seines kulturellen Wissens zurückkehrten.
    »Glaubst du wirklich, sie lassen uns rein?«
    »Keine Sorge«, gab Shampoo zurück. »Man liebt es geradezu, wenn wir in die Bibliotheken kommen. Der Linksdrall unserer Kultur macht es möglich. Zumal im Winter. Da sind alle noch viel netter. Die Kälte ist unser bester Freund.«
    Shampoo hatte recht. Sie wurden ausgesprochen wohlwollend empfangen. Man ließ es sogar zu, dass der Kahlkopf sein stinkendes Bündel deponierte – zwar nicht in der Garderobe, aber immerhin in einem Materialraum.
    Janusz’ Nerven lagen blank. Dass die Spur des Mörders mit seinem eigenen Weg übereinstimmte, machte ihm zu schaffen. Immer mehr Fragen häuften sich an, auf die es keine Antwort gab. Er hatte sich vorgenommen, in die Antike abzutauchen wie in eine erfrischende, lehrreiche Quelle.
    Die Bibliothek erwies sich als Turm aus Licht. Die Glaswände filterten das Sonnenlicht, das weiße Wände, filigrane Treppen und durchsichtige Aufzüge zum Leuchten brachte. Die weit geöffneten Räume erstreckten sich über mehrere Etagen. Eine perfekte Entsprechung des Ausdrucks »Elfenbeinturm«.
    Shampoo ging zielstrebig auf einen freien Sessel zu und rieb sich die Hände in Erwartung eines genüsslichen Schläfchens.
    »Nichts da! Du kommst mit«, erklärte Janusz.
    »Wohin?«
    »Wir fangen mit den Zeitungen an.«
    An einem Touchscreen konsultierte Janusz die Archive der Lokalpresse. Er fand mehrere kurze Berichte über einen Drachenflieger, der am 17. Dezember 2009 tot in der Felsbucht von Sormiou aufgefunden worden war. Wollte man den Zeitungen glauben, gab es weder Angaben zur Identität des Mannes, noch kannte man die näheren Umstände seines Unfalls. Janusz forschte weiter, fand aber nicht das geringste Hintergrundmaterial.
    Wie hatte Kommissar Jean-Luc Crosnier das Wunder vollbracht, den Fall unter den Teppich zu kehren? Der Vorteil war nicht von der Hand zu weisen: So konnte er zumindest in aller Ruhe ermitteln. Trotz einer Ausweitung seiner Suche wurde Janusz nicht fündig. Er loggte sich aus.
    Tatsächlich wusste er inzwischen längst mehr über den Fall als alle Zeitungen der Region. In der U-Bahn hatte er den Autopsiebericht gelesen, den Claude fotokopiert hatte. Die tiefere Erkenntnis war zwar ausgeblieben, aber zumindest gab es einige wichtige Hinweise. Vor allem einen: Die toxikologische Analyse des Blutes von Tzevan Sokow hatte einen hohen Heroingehalt ergeben. Genau wie bei Philippe Duruy.
    Janusz blickte nach oben und suchte nach der Abteilung für Mythologie. An den Laufgängen der einzelnen Etagen waren große Hinweisschilder mit den jeweiligen Themen angebracht.
    »Wir müssen in den dritten Stock«, sagte er schließlich.
    Sie benutzten eine der Satteltreppen. Unterwegs beobachtete Janusz die

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