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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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nächste Speed-Dating fand in einer angesagten Bar im 9. Arrondissement statt. Das Vega hatte nichts mit der tropischen Atmosphäre des Pitcairn gemein. Die Inneneinrichtung bestand aus Chrom und LED-Lampen. Die Bar war von innen beleuchtet und verströmte blaues Aquariumslicht. Die Sitzgelegenheiten, zwischen denen silberne Würfel als Tische aufgestellt waren, hatten die Form von Einzellern.
    Auf der Bar standen mehrere Gläser mit Blue Lagoon, einem Cocktail auf der Basis von Curaçao, die im Halbdunkel zu fluoreszieren schienen. Aus der Musikanlage tönte sanfter Elektropop.
    In der Garderobe hingen Edelstahlrahmen mit Bildern von Vega, einer Figur aus dem japanischen Manga Goldorak aus den späten 1970er Jahren. Die Ausstattung der Bar stand ganz im Zeichen des hässlichsten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts – den Achtzigern.
    Das Treffen sollte um 21.00 Uhr beginnen. Chaplain erschien bereits um 20.30 Uhr. Er wollte Sasha überraschen. Die Mulattin stand noch im Mantel in der leeren Bar und verteilte nummerierte Karten auf jedem Tisch. Sie hatte ihn nicht gehört, und er nutzte diesen Vorteil, um sie zu beobachten.
    Mit ziemlicher Sicherheit stammte Sasha von den niederländischen Antillen. Sie trug ihr Haar kurz geschnitten, war fast einen Meter achtzig groß und hatte eine athletische Figur mit ungewöhnlich langen Armen. Trotz ihrer Schönheit wirkte ihre Gestalt schwer und massiv. Man hätte sie sogar für einen Transvestiten halten können.
    »Hallo, Sasha«, ließ er sich aus dem Halbdunkel vernehmen.
    Sie fuhr zusammen. Doch sofort hatte sie sich wieder im Griff, lächelte und schlüpfte in ihre Lieblingsrolle – die einer gütigen Göttin, die über eine Legion einsamer Herzen herrschte.
    Als sie jedoch Chaplain erblickte, wich ihr Wohlwollen sofort eisiger Feindseligkeit. Er trat zu ihr, um sie zu begrüßen, wusste jedoch nicht, ob er sie küssen oder ihr nur die Hand schütteln sollte. Sasha wich einen Schritt zurück. Unter ihrem dunklen Mantel trug sie ein strenges schwarzes Kleid und dazu ebenfalls schwarze, sehr edle Pumps. Unter den LED-Lampen wirkte ihre karamellfarbene Haut wunderbar golden, und ihre smaragdgrünen Augen nahmen die Farbe klarer Bergseen an.
    Auch sie musterte ihn. Sein Outfit schien sie zu bestürzen. Er trug ein violettes Hemd, einen Flanellmantel, eine gerade geschnittene Hose aus Wollserge und schicke, sehr spitze Lackschuhe. Er hatte angezogen, was ihm in Nonos schriller Garderobe gerade in die Hände gefallen war.
    »Schnelle Abspritzer haben in meinem Club keinen Zutritt. Ich dachte, ich hätte mich da klar ausgedrückt.«
    Wahrscheinlich hatte Sasha ihm irgendwann früher die Teilnahme an ihren Abenden verboten.
    »Aber seit damals ist viel Wasser die Seine hinuntergeflossen«, sagte er aufs Geratewohl.
    »Gerüchte sind aber nicht so schnell totzukriegen.«
    Sie sprach mit einem ganz leichten kreolischen Akzent. Chaplain setzte auf Provokation.
    »Für dich zählt immer nur dein Club, nicht wahr?«
    »Was denn sonst? Männer? Dass ich nicht lache!«
    »Aber immerhin ist die Liebe die Grundlage deines Geschäfts.«
    »Nicht die Liebe. Die Hoffnung.«
    »Wir verstehen uns.«
    Sasha trat einen Schritt auf ihn zu.
    »Was willst du, Nono? Wieso kommst du nach allem, was passiert ist, hierher zurück und schwingst schöne Reden?«
    »Was genau ist denn passiert?«
    Die junge Frau schüttelte resigniert den Kopf.
    »Du hast den Frauen Angst gemacht und die Männer in den Schatten gestellt. Und mir raubst du den letzten Nerv.«
    Chaplain zeigte auf die beleuchtete Bar.
    »Erlaubst du, dass ich mir etwas anderes einschenke als dieses blaue Zeug?«
    »Fühl dich ganz wie zu Hause«, antwortete sie und wandte sich wieder ihren Tischkarten zu.
    Chaplain ging hinter die Bar. Auf dem Tresen stand Sashas Handtasche, die er gleich bei seiner Ankunft entdeckt hatte. Eine taupefarbene Birkin Bag von Hermès – die klassische Trophäe einer Pariserin, die es zu etwas gebracht hat.
    Er tat, als suchte er eine Flasche aus. Soeben schoben die ersten Clubmitglieder den schweren Vorhang vor der Eingangstür beiseite. Sasha nahm zwei der bereitgestellten Cocktailgläser und ging ihnen entgegen.
    Rasch öffnete Chaplain die Birkin, griff nach der Brieftasche und entnahm den Personalausweis. Sasha hieß Véronique Artois und wohnte in der Rue de Pontoise Nummer 15 im 5. Arrondissement. Er prägte sich die Adresse ein und steckte die Brieftasche zurück in die Tasche. Und jetzt die

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