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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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und der strahlend weißen Umgebung schmerzte in den Augen.
    Anaïs konzentrierte sich auf das, was gesagt wurde. Der Angestellte, den man hinter ihr hergeschickt hatte, blieb ebenfalls wie angewurzelt stehen, als er die sich über den Leichen streitenden Raben im XXL-Format erblickte.
    »Was hast du hier eigentlich zu suchen?«, blaffte einer der Typen.
    »Die beiden Leichen hier stehen in direktem Zusammenhang mit der Schießerei in der Rue de Montalembert.«
    »Ach ja? Und woher willst du das wissen?«
    Solinas war nicht schnell genug gewesen. Die beiden vom Staatsanwalt informierten Kriminalkommissare hatten die Nase vorn gehabt. Der Kahlkopf hatte daher eigentlich nichts mehr im Leichenschauhaus zu suchen, doch er verteidigte lebhaft seinen Anteil am Kuchen.
    »Der Staatsanwalt hat sich klar und deutlich ausgedrückt.«
    »Der Staatsanwalt kann mich mal. Ich werde mich mit dem Ermittlungsrichter meines Falles in Verbindung setzen.«
    »Lass deine Scheißfinger aus der Angelegenheit!«
    »Welcher Angelegenheit? Bisher weiß doch niemand, um was es eigentlich geht. Und wenn jemand abgeknallt wird, ist das mein Bier.«
    Mit jeder Replik stieg die Lautstärke. Die Männer schienen kurz davor, sich an die Gurgel zu gehen. Anaïs sah interessiert zu. Mittlerweile hatten sich mehrere Helfer in weißen Kitteln eingefunden, die allerdings nicht einzuschreiten wagten.
    Das von Testosteron geprägte Schauspiel inmitten von Äthergeruch und kaltem Licht amüsierte Anaïs. Drei zur Konfrontation bereite Alphamännchen. Solinas reckte den Hals, als wollte er seinen Kopf als Keule benutzen. Einer seiner Gegner, ein sehr dunkler, schlecht rasierter Typ mit Ohrring, schien nur mit seinem Schwanz zu denken. Sein Kumpel griff bereits zur Waffe.
    Im nächsten Moment wurde Anaïs von einer Bahre an der Hüfte getroffen. Sie rutschte aus und fiel hin. Jetzt machten die Männer ernst. Man schrie sich an, man beleidigte einander, man schubste sich. Solinas packte einen der Kommissare, während der andere die Waffe aus dem Halfter zog, weil er keine andere Möglichkeit sah, die Kampfhähne zu trennen. Nun griffen auch die Angestellten ein, konnten aber ebenfalls nichts ausrichten.
    Schon befürchtete Anaïs eine neuerliche Schießerei, als zwei weitere Männer den Saal betraten. Beide trugen einen Bürstenschnitt, und ihre Muskeln spannten sich unter den grauen, wie Uniformen wirkenden Anzügen. Ruhig richteten sie ihre halbautomatischen 9-Millimeter-Waffen mit Laufverlängerung auf die tobenden Polizisten.
    »Schluss mit lustig, meine Täubchen.«
    Solinas und sein Kontrahent erstarrten mitten in der Bewegung. Der eine blutete aus der Nase, der andere hielt sich das Ohr. Sein Gesicht war blutverschmiert. Solinas hatte ihm den Ohrring abgerissen.
    »Wer sagt das?«, schimpfte Solinas.
    »Die Armee, Blödmann«, säuselte der erste Soldat. »Ihr verschwindet jetzt, und zwar ein bisschen plötzlich. Dann vergessen wir, dass ihr euch an kaltem Fleisch aufgeilt.«
    Solinas zögerte. Die beiden Kriminalkommissare traten einen Schritt zurück, um ihre neuen Kontrahenten besser einschätzen zu können. Die Angestellten machten sich aus dem Staub. Anaïs saß wie erstarrt am Boden und beobachtete die Szene aus der Kleinkindperspektive. Genauso fühlte sie sich: wie ein kleines Mädchen, das Erwachsenen zuschaut, ohne etwas zu begreifen. Nicht irgendwelchen Erwachsenen. Dies war die Welt ihres Vaters .
    »Jetzt sind wir zuständig«, sagte der zweite Soldat und schwenkte ein offiziell aussehendes Dokument.
    »Haut ab und lasst euch behandeln. Das hier geht euch nichts mehr an.«
    Der Kommissar, der sich immer noch das Ohr hielt, konnte es noch immer nicht fassen.
    »Wer seid ihr überhaupt?«, erkundigte er sich mit heiserer Stimme.
    »Lest einfach den Papierkram der Staatsanwaltschaft. Da steht bestimmt irgendeine Bezeichnung für uns drin. Obwohl – solche Bezeichnungen saugen sie sich jeden Tag aus den Fingern. Genau genommen heißt das gar nichts.«
    »Nein, das heißt gar nichts, wie du so schön sagst«, erklärte Solinas und trat einen Schritt vor. »Also was?«
    Der zweite Bürstenkopf trat zu einer der Leichen, die mit einem Tuch bedeckt war, entblößte ihren linken Unterarm und zeigte ihn den Polizisten. Im toten Fleisch steckte eine Kanüle.
    »Du weißt, was das bedeutet, nicht wahr?«
    Niemand antwortete. Elitesoldaten erhalten manchmal vorsorglich Venenverweilkatheter, damit man sie bei einer schweren Verwundung schneller

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