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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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aufgeladen war. Den Strahl der Projektionslampe richtete er auf den Boden zwischen den beiden Fenstern, legte die Schaumstoffmatte mitten ins Licht und entfernte die Plastikumhüllung der Daunendecke.
    Als sein Bett gemacht war, befestigte er die aufgeladene Kamera auf dem Stativ. In der Gebrauchsanweisung stand, dass man mit der Speicherkarte etwa zehn Stunden bei normaler Qualität aufzeichnen könne. Er schaltete das Gerät ein und filmte im Weitwinkelmodus mit dem Bett in der Mitte.
    Zum Schluss packte er die Augenmaske aus, eines jener Dinger, die man manchmal auf Langstreckenflügen bekommt. Nachdem er es sich unter der Decke bequem gemacht hatte, schob er die Maske über die Augen und konzentrierte sich aufs Einschlafen. Sein Telefon hatte er ausgeschaltet. Niemand wusste, wo er sich aufhielt. Niemand konnte ihn stören. Niemand würde ihn an seinem großen Sprung hindern.
    Bald schon würde er Bescheid wissen …

I m Namen und in der Kraft unseres Herrn Jesu Christi beschwören wir dich, jeglicher unreine Geist, jegliche satanische Macht, jegliche feindliche Sturmschar der Hölle, jegliche teuflische Legion, Horde und Bande: Ihr werdet ausgerissen und hinausgetrieben …«
    Franciszka Kubiela liegt mit nacktem Bauch auf dem Operationstisch und murmelt ihr Gebet. Zwei Ärzte und mehrere Krankenschwestern in grüner OP-Kleidung scheinen sich unbehaglich zu fühlen. Ein dritter Mann, der ebenfalls eine Chirurgenmaske trägt, steht ein Stück abseits. Einer der Gynäkologen trägt Gel auf den Bauch der Frau auf und greift zur Ultraschallsonde.
    »Was erzählt sie da?«, fragt er seinen Kollegen auf der anderen Seite des Operationstisches.
    Der zuckt die Schulter. Er hält eine Spritze mit einer langen Nadel in der Hand.
    »Es ist ein Exorzismus«, erklärt der abseits stehende Mann leise. »Sie hat ihn auswendig gelernt.«
    »Dir gebietet Gott, der Allerhöchste, dem du in deinem großen Hochmut noch immer gleichgestellt sein willst …«
    »Wir hätten ihr eine Vollnarkose geben sollen«, knurrt der Frauenarzt unter seiner Papiermaske. »Stört es dich?«
    Der Arzt mit der Nadel schüttelt den Kopf. Der erste fährt mit der Sonde über den vorgewölbten Leib der Frau.
    Die Zwillinge zeichnen sich auf dem Bildschirm ab. Man sieht den schnellen Schlag ihrer Herzen. Franciszka Kubiela ist im siebten Schwangerschaftsmonat. Einer der Föten misst mehr als vierzig Zentimeter, der andere nicht einmal zwanzig. Über ihnen wuchert ein Wald aus Blutgefäßen.
    »Dir gebietet Christus, das ewige Wort Gottes, das Fleisch geworden ist …«
    »Beruhigen Sie sich, Franciszka«, sagt der Arzt leise. »Sie werden nichts spüren.«
    Die junge Polin, deren Haar unter einer grünen Haube verborgen ist, scheint nichts zu hören. Der Gynäkologe konzentriert sich auf den Bildschirm. Die beiden Föten schwimmen im Fruchtwasser. Der dominante bewegt sich leicht, der kleinere verkriecht sich im Hintergrund. Mit ihren dicken Köpfen und ihren durchscheinenden Augen sehen sie wie zwei Glasskulpturen aus, die sich lediglich durch ihre Größe unterscheiden.
    »Hat sie ihre Spasmolytika genommen?«
    »Ja, Herr Doktor«, antwortet eine Krankenschwester.
    Die sanften Stimmen passen nicht zu dem grellen Licht der OP-Lampen, die keinen Schatten dulden. Die Augen fest auf den Bildschirm geheftet, sticht der Chefarzt langsam mit der langen Nadel durch die Bauchdecke.
    Franciszkas Stimme wird lauter.
    »Dir gebietet das heilige Zeichen des Kreuzes und die Kraft aller Geheimnisse des christlichen Glaubens …«
    »Bleiben Sie ruhig. Gleich ist alles vorbei.«
    »Dir gebietet die glorreiche Jungfrau und Gottesmutter Maria, die vom ersten Augenblick ihrer Unbefleckten Empfängnis an dein über alle Maßen stolzes Haupt in ihrer Demut zertreten hat …«
    »Festhalten! Sie darf sich nicht bewegen!«
    Auf dem Bildschirm nähert sich die Nadel dem deutlich weiter entwickelten linken Fötus. Der Herzschlag beider Zwillinge beschleunigt sich.
    »Haltet sie fest, um Himmels willen!«
    Die Krankenschwestern greifen nach den Armen der Patientin und pressen ihre Schultern auf die Unterlage. Der dritte Mann hilft ihnen. Mit schweißglänzender Stirn treibt der Arzt die Spritze weiter vor. Sie befindet sich jetzt kurz vor dem Thorax des Föten.
    »Dir gebietet der Glaube der heiligen Apostel Petrus und Paulus und der übrigen Apostel …«
    Die Spitze berührt den Körper. Genau in diesem Moment dreht der Fötus den Kopf und starrt die Ärzte mit seinen

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