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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Hand.
    Dann sah er nichts mehr.
    Das Display wurde schwarz.
    Der Eindringling hatte die Aufzeichnung in der 105. Minute angehalten. Kubiela drückte noch einmal auf den Schnellvorlauf, für den Fall, dass die geheimnisvolle Hand die Aufzeichnung wieder eingeschaltet hätte. Doch da war nichts. Er blickte auf und war fast überrascht, dass nicht sein eigener Körper vor ihm auf der Schlafmatte lag.
    Wer war in dieses Zimmer gekommen?
    Wer kannte sein Versteck?
    Er schaltete die Projektionsleuchte aus und die Glühbirne ein, deren Licht angenehmer war. Dann schloss er das Fenster. Seine Gliedmaßen gehorchten ihm nur widerwillig; sein ganzer Körper wurde von schmerzhaften Verspannungen gequält.
    Bei allem Schrecken hatte der Vorfall etwas Tröstliches. Ein Fremder im Zimmer – das konnte bedeuten, dass er vielleicht doch nicht der Mörder war. Möglicherweise gab es ja eine ganz andere Erklärung.
    Kubiela war so in Gedanken versunken, dass er erst nach einiger Zeit feststellte, dass es irgendwo im Zimmer klingelte. Aber er hatte sein Handy ausgeschaltet. Außerdem war ihm der Klingelton unbekannt.
    Er wandte sich von der Kamera ab und suchte nach dem Telefon. Dabei trampelte er über die Arztberichte, die Fotos und die Ultraschallbilder hinweg, die im feuchten Sägemehl lagen. Schließlich entdeckte er ein Handy auf dem Boden und hob es auf.
    »Hallo?«
    »Hör mir genau zu.«
    »Wer sind Sie?«
    »Du sollst mir zuhören. Sieh aus dem Fenster.«
    Kubiela beugte sich aus dem zerbrochenen Rahmen. Ein heftiger Nachtwind war aufgekommen. Regen peitschte ihm ins Gesicht. Es war außergewöhnlich warm – deutlich wärmer als tagsüber.
    »Vor deinem Gartentor parkt ein A5.«
    Kubiela erkannte die schwarze Karosserie, deren Lack im Regen glänzte. Vielleicht träumte er ja noch?
    »Der Schlüssel steckt. Du fährst jetzt los, und wir treffen uns.«
    »Wo?«
    »In La Rochelle.«
    Kubiela brachte kein Wort heraus. Seine Halsmuskeln waren wie gelähmt. Vor seinen Augen drehten sich glühende Räder. Er brachte keinen vernünftigen Gedanken zustande.
    Endlich stieß er hervor:
    »Und warum sollte ich das tun?«
    »Ihretwegen.«
    Im Hintergrund hörte er Stöhnen und erstickte Schreie. Die Person musste geknebelt sein. Das Blut auf seinem Hemd .
    »Ich nenne sie Eurydike. Du kennst sie als Anaïs.«
    In seinem Kopf hörte er kreischende Bremsen, Hubschraubergeräusche und Sturmgewehre – das Knattern des Todes.
    »Du bluffst«, sagte er, indem er zur vertraulichen Anrede überging. »Anaïs sitzt im Gefängnis.«
    »Du bist nicht ganz auf dem Laufenden, mein Freund.«
    Mein Freund . Er kannte diese schleppende, tiefe Stimme! Aber er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wo er sie gehört hatte.
    »Was hast du ihr getan?«
    »Bis jetzt noch nichts.«
    »Gib sie mir. Ich will mit ihr reden.«
    Die Antwort war ein stimmloses Lachen. Wie das Schnurren einer Katze.
    »Sie kann nicht mit dir reden. Ihre Lippen brennen.«
    »Mistvieh! Was hast du …«
    »Mach dich auf den Weg nach La Rochelle. Ich rufe wieder an.«
    »Wer zum Teufel bist du?«
    Wieder erklang das weiche Lachen.
    »Ich bin derjenige, der dich erschaffen hat.«

K ubiela war noch nicht lang auf der Autobahn, als er feststellte, dass sich etwas am Himmel zusammenbraute. Heftige Windböen rüttelten den A5 wie Riesenfäuste. Die Bäume an beiden Seiten bogen sich, als hätten sie fürchterliche Krämpfe. Eine unerklärliche Wärme breitete sich in der Fahrgastzelle aus. Was passierte da draußen? Er war völlig allein auf der Autobahn.
    Er schaltete das Radio ein.
    »Wegen des von Südwesten heranziehenden Sturmtiefs Xynthia wurde in den Departements Charente-Maritime, Vendée, Deux-Sèvres und Vienne Katastrophenalarm ausgelöst. Der Wetterdienst rechnet mit erheblichen Risiken, wie Überschwemmungen, umgestürzten Bäumen und Stromausfällen. Bereits am frühen Abend wurden Windgeschwindigkeiten von mehr als hundertfünfzig Stundenkilometern gemessen.«
    Kubiela umklammerte das Lenkrad. Das fehlte jetzt gerade noch! Die himmlischen Kräfte mischten sich ein. Eigentlich kaum verwunderlich. Von Anfang an stand diese ganze Geschichte im Zeichen der Götter.
    Ich bin derjenige, der dich erschaffen hat .
    Kubiela wechselte den Sender.
    »Der bereits seit einigen Tagen angekündigte Sturm schlägt nun mit voller Wucht zu. Seit dem 23. Februar beobachtete der Wetterdienst die Entstehung eines außergewöhnlichen Tiefdrucksystems auf dem Atlantik. Am 25.

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