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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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fotografierte der Wettersatellit Eumetsat die Entwicklung dieses Systems zu einem Orkantief, das bereits auf der portugiesischen Insel Madeira zu einer Katastrophe geführt hat …«
    Die Bocksprünge und das Schaukeln des Autos waren Kommentar genug. Kubiela fuhr mehr als zweihundert Stundenkilometer. Er beobachtete die Anzeigen auf dem Armaturenbrett. Das Auto war ein wahres Wunderwerk neuester Technologie, doch hatte es den Naturgewalten nichts entgegenzusetzen.
    »Das Tiefdrucksystem bewegte sich etwa vom 30. Breitengrad in Richtung Norden und wurde zum außertropischen Zyklon, der auf den Kanarischen Inseln großen Schaden anrichtete. Mittlerweile hat der Sturm das Festland erreicht. Im Vorfeld des Orkans wurden im Tagesverlauf außergewöhnlich hohe Temperaturen gemessen. An der baskischen Küste stieg das Thermometer mitten im Winter auf fünfundzwanzig Grad, was nichts mit der allgemeinen Klimaerwärmung zu tun hat, sondern als Vorbote für einen Jahrhundertsturm anzusehen ist.«
    Der Moderator klang, als verkünde er die Apokalypse. Kubiela wurde nervös. Er hörte kaum noch hin. Immer noch lagen zweihundert Kilometer vor ihm, und er hatte das Gefühl, geradewegs in den weit aufgerissenen Rachen eines Ungeheuers zu brausen. Sollte er die Fahrt unterbrechen? Sich in ein Hotel flüchten und warten, bis die Lage sich beruhigte? Unmöglich! Der Anrufer hatte sich da unmissverständlich ausgedrückt. Wieder fielen ihm die unbeantworteten Fragen ein. Wer war der Mörder? Wie war es möglich, dass er Anaïs als Geisel nahm? Wann war sie aus dem Gefängnis gekommen? Hatte sie ihre Ermittlungen weitergeführt und ihre Nase in Dinge gesteckt, um die sie sich besser nicht gekümmert hätte? Welchen Deal hatte der Mörder ihr vorgeschlagen? Und vor allem: Wo hatte er diese Stimme schon einmal gehört?
    Nachdem er Tours passiert hatte, fuhr er an der nächsten Raststätte ab. Das Vordach der Tankstelle schwankte. Abgerissene Schilder schepperten über den Parkplatz. Die Bäume entlang der Parkbuchten bogen sich fast waagerecht. Lediglich die Zapfsäulen schienen solide in ihrer Verankerung zu stehen. Zwar hatte er noch genügend Kraftstoff im Tank, um bis La Rochelle zu kommen, doch ihm war danach, Kontakt mit Menschen aufzunehmen.
    Aber er wurde enttäuscht. Nicht ein einziger Wagen parkte an der Raststätte, keine Menschenseele war im hell erleuchteten Supermarkt zu sehen. Schließlich entdeckte er hinter den vibrierenden Schaufensterscheiben ein paar Gestalten in der roten Uniform der Servicekräfte. Sie räumten gerade in aller Hast ihre Siebensachen zusammen.
    »Sind Sie lebensmüde? Sie sollten keinesfalls mehr fahren«, sagte eine Frau, als er eintrat.
    »Der Sturm hat mich unterwegs überrascht.«
    Sie schloss ihre Kasse ab.
    »Haben Sie denn die Warnmeldungen im Radio nicht gehört? Wir haben Katastrophenalarm.«
    »Aber ich muss dringend weiter nach La Rochelle.«
    »La Rochelle? Haben Sie nicht gesehen, wie es schon hier zugeht? Stellen Sie sich mal vor, was an der Küste los ist! Inzwischen dürfte dort alles unter Wasser stehen und …«
    Kubiela wartete das Ende des Satzes nicht ab. Er brauchte jetzt wirklich keine Kassandra, um sich zu motivieren. Als er weiterfuhr, fühlte er sich wie ein Held aus der Mythologie, der seinem Schicksal nicht entgehen kann.
    Um drei Uhr morgens erreichte er die N 11. Für die vierhundertfünfzig Kilometer von Paris nach La Rochelle hatte er sechs Stunden gebraucht. Verrückt. Während er noch darüber nachdachte, begann es zu regnen. Eine unglaubliche Sintflut löschte die Landschaft geradezu aus. Der Wind peitschte das Wasser, das von überall gleichzeitig herzukommen schien, gegen Motorhaube und Windschutzscheibe.
    Nicht ein Schild war mehr zu erkennen. Ob er das Navi benutzen sollte? Doch er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, in diesem Tohuwabohu anzuhalten, die Gebrauchsanweisung zu suchen und das Gerät zu programmieren. Alles um ihn herum schien sich aufgelöst zu haben. Ihm war, als wäre er allein auf der Welt. Plötzlich entdeckte er Scheinwerfer. Der Anblick tröstete ihn jedoch nur kurz. Autos trieben rückwärts dahin, schlingerten am Straßenrand entlang und vollführten Hundertachtzig-Grad-Wendungen. Die Menschen hatten die Kontrolle über die Wirklichkeit verloren.
    Plötzlich riss sich ein Schild mit der Aufschrift La Rochelle 20 km wie ein Eisenflügel von seinem Pfosten los und krachte auf die Motorhaube. Kubiela kam mit dem Schrecken und

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