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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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sich hinter seinem Beruf zu verschanzen.
    »Ich bin der Psychiater, der den Mann ohne Gedächtnis vom Bahnhof Saint-Jean behandelt, und habe Informationen für die Kommissarin. Vertrauliche Informationen.«
    Der Polizist musterte Freire skeptisch. Sein Blick glitt über den durchnässten Regenmantel, die Pflanzenreste an seiner Kleidung und die verschmutzten Schuhe.
    »Sie wird sicher gleich hier sein«, sagte er schließlich. »Setzen Sie sich.«
    Freire suchte sich einen Stuhl im Flur. Er befand sich in der ersten Etage des Kommissariats von Bordeaux in der Rue François de Sourdis, einem schneeweißen, nagelneuen Gebäude, das wie ein Eisberg aussah, der mitten durch die Stadt schwamm. Wenn er es richtig verstanden hatte, waren in diesem Stockwerk die höheren Beamten untergebracht.
    Obwohl niemand zu sehen war, spürte man eine unterschwellige Aktivität. Wahrscheinlich war es für die Polizisten ein Nachmittag wie jeder andere. Mathias saß genau gegenüber dem Büro von Anaïs. Das Schild an der Tür trug ihren Namen. Die Jalousien des zum Flur hin gehenden Fensters waren geöffnet.
    Freire blickte sich um. Der Flur war menschenleer. Plötzlich kam ihm eine verrückte Idee. Was, wenn er sich in das Büro schlich und nach den Ermittlungsakten des Minotaurus suchte? Vielleicht fand er Hinweise auf Victor Janusz. Der Plan war zwar absurd, doch ein Rückzug kam schon jetzt nicht mehr infrage.
    Erneut spähte Freire nach rechts und links. Der Flur war noch immer leer. Er stand auf, tat, als wolle er sich die Beine vertreten, und drückte verstohlen auf die Klinke der Bürotür.
    Der Raum war offen.
    Lautlos huschte er hinein, schloss die Tür hinter sich und ließ die Jalousie hinunter. Ein Blick auf die Uhr. Es war 15.10 Uhr. Für die Suche gab er sich fünf Minuten. Nicht eine mehr. Trotz des Regens und der bereits langsam hereinbrechenden Dämmerung sah er genug, um ohne Licht auszukommen.
    Er blickte sich aufmerksam um. Normale Büromöbel. Nirgends waren persönliche Accessoires zu sehen. Freire musste unwillkürlich an sein eigenes Büro in der Klinik denken, das ebenso kalt und anonym gewesen war. Er entdeckte mehrere Stellen, wo sich die Suche lohnen würde. Rechts befand sich eine metallene Aktenablage, gegenüber stand ein Schrank mit Falttüren. Auch der Schreibtisch, der sich unter Aktenbergen bog, besaß ein paar Schubladen.
    Freire brauchte nicht lang zu suchen.
    Die Dokumente, die ihn interessierten, lagen gleich zuoberst auf dem Schreibtischstapel.
    Er hatte nicht genügend Zeit, die Verhöre durchzulesen, doch er fand Fotos von der Leiche in der Grube, dem bleichen, dürren, tätowierten Körper und dem schwarzen Stierkopf. Das Opfer schien einem primitiven Zeitalter zu entstammen, einer Ära fantastischer Wesen und beängstigender Mythen. Und doch wirkten die Fotos sachlich und dokumentarisch. Eine Randnotiz vom Anfang der Welt.
    Freire blätterte weiter. Er fand Fotos des Toten im Leichenschauhaus und von Philippe Duruys Gesicht, nachdem man ihm die fürchterliche Maske abgenommen hatte – eine asymmetrische, zerquetschte Fratze. In einer Dokumentenhülle entdeckte er erkennungsdienstliche Bilder, die einen Jungen zeigten, dessen Augen mit Kajal betont waren. Er hielt eine Tafel mit seinen Daten in der Hand. Der junge Aussteiger hatte also schon früher Ärger mit der Polizei gehabt.
    Die Akte enthielt Mengen von Schnellheftern und ganze Berge von Verhörprotokollen. Freire hatte keine Zeit, alles zu lesen. In der letzten Mappe fand er schließlich den Bericht der Spurensicherung über den Leichenfundort und Bilder der in der Grube gefundenen Fingerabdrücke. Die Fingerabdrücke von Victor Janusz .
    Im Flur näherten sich Schritte. Freire erstarrte. Er blickte auf seine Uhr und musste sich konzentrieren, um die Zeit zu entziffern. 15.16 Uhr. Er machte sich bereits seit sechs Minuten in diesem Büro zu schaffen. Anaïs Chatelet konnte jeden Augenblick hereinkommen. Noch einmal betrachtete er die Fingerabdrücke, als ihm plötzlich etwas einfiel. Er suchte in den Schubladen, bis er einen Füller fand. Er schraubte ihn auf und entnahm ihm die Patrone. Im Drucker fand er frisches Papier, schwärzte seine Finger mit der Tinte und drückte die Kuppe jedes einzelnen Fingers auf das Blatt.
    Dann verglich er die Abdrücke mit denen von Victor Janusz. Man musste kein Fachmann sein, um die Ähnlichkeiten zu erkennen.
    Alle Abdrücke waren identisch.
    Er war Victor Janusz.
    Der Anblick löste etwas in ihm

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