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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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den nächsten Mülleimer. Auch seinen Regenmantel entsorgte er. Anschließend verließ er den Flughafen so unauffällig wie möglich und nahm einen Bus ins Stadtzentrum.
    Jetzt musste die Polizei längst bei ihm zu Hause sein. Die Beamten würden feststellen, dass er eine Reisetasche gepackt hatte, und als Nächstes seinen Wagen suchen. Den würden sie natürlich nicht finden und daher glauben, dass Freire mit dem Auto geflohen war. Sie würden Straßensperren errichten und ihre Aufmerksamkeit zunächst einmal den Checkpoints widmen.
    Die erste falsche Spur.
    Anschließend würden sie das immer noch verbundene Handy am Flughafen finden. Sie würden nach Bordeaux-Mérignac hinausfahren und, nachdem der Name Freire in keiner Passagierliste auftauchte, die Überwachungsvideos anschauen. Natürlich würden sie ihn erkennen. Sie würden den Geldautomaten überprüfen und nach dem Taxifahrer suchen. Alle Hinweise liefen auf eins hinaus. Victor Janusz alias Mathias Freire hatte am Nachmittag unter falschem Namen einen Flug gebucht und war verschwunden.
    Das war die zweite falsche Spur.
    Und bis es so weit war, wäre er bereits weit fort. Er erreichte den Bahnhof Saint-Jean. Überall liefen Polizisten herum. Wachmänner mit Hunden standen an sämtlichen Ausgängen. Mannschaftswagen blockierten die Parkplätze.
    Freire ging um den Bahnhof herum. Ausgedehnte Arbeiten, Absperrungen, Kräne und Ausschachtungen erleichterten ihm sein Vorhaben. Irgendwann entdeckte er einen Träger – einen jener Männer, die mit einem Gepäckwagen den Reisenden bis zu den Zügen folgten. Er sprach den Mann an und bat ihn, eine Fahrkarte für ihn zu lösen.
    Der Mann, der eine Rastamütze und die vorschriftsmäßige orange Sicherheitsweste trug, zierte sich.
    »Warum gehen Sie nicht selbst?«
    »Weil ich dringend telefonieren muss.«
    »Und wieso sollte ich Ihnen vertrauen?«
    »Ich bin es, der dir vertraut«, sagte Freire und drückte dem Mann einen Zweihundert-Euro-Schein in die Hand. »Kaufe mir ein Ticket und die erste mögliche Reservierung nach Marseille.«
    Der Mann zögerte noch immer.
    »Auf welchen Namen?«
    »Narcisse.«
    Die Silben kamen ihm ganz von allein über die Lippen, ohne dass er darüber nachgedacht hatte. Der Mann wandte sich um.
    »Warte. Ich zahle dir hundert Euro zusätzlich, wenn du mir deine Mütze und deine Sicherheitsweste überlässt.«
    Der Mann lächelte ihn schelmisch an. Das neue Angebot schien ihn zu beruhigen. Zumindest wusste er jetzt, woran er war. Er hatte es mit einem Flüchtigen zu tun. Gleichzeitig bemerkte er offenbar, dass der Bahnhof nur so von Polizisten wimmelte. Sein Lächeln wurde breiter. Die Vorstellung, die Obrigkeit zum Narren zu halten, schien ihm zu gefallen. Er nahm die Mütze ab und zog die Weste aus. Lange Dreadlocks à la Bob Marley kamen zum Vorschein.
    »Ich passe solange auf deinen Karren auf«, sagte Freire, während er sich hastig umzog.
    Er musste mehr als zehn Minuten warten, die er mit möglichst entspanntem Gesichtsausdruck an den Karren gelehnt verbrachte. Polizisten liefen an ihm vorbei, ohne ihn zu sehen. Sie suchten einen Mann auf der Flucht. Jemanden, der sich im Schatten an Mauern drängte. Keinen untätigen Gepäckträger mit einer Mütze in den Farben Jamaikas und einer Weste der Bahngesellschaft.
    Bob Marley kehrte zurück.
    »Der letzte direkte Zug nach Marseille ist gerade abgefahren. Ich habe dir ein Ticket nach Toulouse-Matabiau besorgt. Der Zug fährt um 17.22 Uhr, und du musst gegen 19.00 Uhr in Agen umsteigen. Um 20.15 Uhr bist du dann in Toulouse. Von dort geht es um 0.25 Uhr nach Marseille weiter. Im Liegewagen. Um fünf Uhr morgens kommst du an. Es war die einzige Möglichkeit, sonst hättest du bis morgen früh warten müssen.«
    Die Vorstellung, die Nacht sozusagen im Niemandsland zu verbringen, erschien Freire gar nicht so unangenehm. Niemand würde mitten in der Nacht ausgerechnet in Toulouse nach ihm suchen. Er überließ dem Rastamann das Wechselgeld und behielt seine Verkleidung bis zur Abfahrt des Zuges an.
    Er musste noch eine Stunde warten. Die Sicherheitsleute patrouillierten an ihm vorüber, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Mit dem Karren, auf dem seine Reisetasche lag, sah er aus wie ein wartender Gepäckträger, dessen Kunde gerade eine Zeitung holen ging. Freire seinerseits kümmerte sich ebenfalls nicht um die Wachleute, sondern versuchte nachzudenken.
    Er konnte unmöglich der Mörder des Minotaurus sein. Dazu hätte er nicht nur einen

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