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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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seiner Brieftasche mit den auf Mathias Freire lautenden Papieren in die Reisetasche.
    Er bezahlte sechs Euro fünfzig für zweiundsiebzig Stunden, steckte das Ticket mit dem Code zum Öffnen ein und verschloss die graue Stahltür. Alles, was von Mathias Freire übrig war, befand sich jetzt unter Verschluss.
    Nur die zweitausend Euro und die Visitenkarte von Daniel Le Guen behielt er. Es konnte gut sein, dass er diesem Mann noch ein paar Fragen stellen musste.
    Er verließ die Halle mit den Schließfächern, holte sein Messer aus dem Versteck und machte sich auf den Weg zum Ausgang. Von Zeit zu Zeit kreuzten Polizisten seinen Weg, doch seine Verkleidung – obgleich noch nicht ganz ausgereift – schien zu funktionieren. Sie würdigten ihn keines Blickes.
    Draußen wendete er sich nach links. Neben einem Hotel entdeckte er Straßenschilder. Er faltete sein Ticket mit dem Code für das Schließfach klein zusammen und steckte es unter die Metallmanschette der Befestigung. Nun brauchte er nur an diesem Schild vorbeizugehen, um wieder zu Mathias Freire zu werden.
    Er kehrte zum Bahnhof zurück. Oben auf der Treppe nahm er sich Zeit, die Aussicht zu bewundern. Von hier aus wirkte die Stadt wie eine Sandebene, über der von der Morgensonne versilberter Staub lag. Blaue Hügel begrenzten den Horizont. Über der Stadt ragte die Kirche Notre-Dame de la Garde mit ihrer vergoldeten Marienstatue auf.
    Freire geriet fast ins Schwärmen.
    Als er jedoch den Blick wieder senkte, holten ihn die Penner auf den Boden der Wirklichkeit zurück.
    Erneut lief er die Treppe hinunter und ging über den Boulevard d’Athènes in Richtung der Canebière. An der Ecke der Place des Capucines entdeckte er ein Schreibwarengeschäft und beschloss, sich einen Block und einen Filzstift zu kaufen. Er musste sich Notizen machen, wenn er, fast wie ein Archäologe, seine Vergangenheit Stück für Stück mit den verschiedensten Informationen wieder zusammensetzen wollte.
    In einem arabischen Supermarkt suchte er nach dem billigsten Wein. Seine Wahl fiel auf ein Plastikfässchen mit Zapfhahn, das vermutlich einen fürchterlichen Krätzer enthielt.
    Er kehrte auf die Canebière zurück und hatte das Gefühl, durch Algier zu wandern.
    Die meisten Passanten waren maghrebinischer Herkunft. Die Frauen waren verschleiert, die Männer hatten Bärte und manchmal eine weiße Takke auf dem Kopf. Junge, schlecht rasierte Männer mit dunklen Augen zogen in Gruppen durch die Straße. Die unterschiedlichsten Dünste stiegen aus der Menschenmenge. Man drängte und schubste sich und wich nur vor der Straßenbahn zurück.
    Freire hatte auf der legendären Prachtstraße Marseilles teure Geschäfte mit prestigeträchtigen Markenartikeln erwartet. Was er fand, waren Trödelmärkte und Basare, in denen man Kupferkannen, Tuniken und Teppiche kaufen konnte.
    Vor den Kaffeehäusern saßen dick vermummte Männer an rostigen Tischen und schlürften Tee aus kleinen, goldverzierten Gläsern.
    Freire entdeckte eine Toreinfahrt, die in einen Innenhof führte. Zerdrückte Kartons und leere Obststeigen lagen herum. Freire stieg über den Müll hinweg und gelangte in den Hof. Die Häuser ringsum hatten Laufgänge, wo Wäsche auf Leinen trocknete.
    Die Laufgänge waren leer.
    Auch an den Fenstern und in den Treppenhäusern war niemand zu sehen.
    Hinten im Hof standen grüne überfüllte Müllcontainer. Freire brauchte sich nur zu bedienen. Eierschalen, verfaultes Obst, stinkender, nicht näher identifizierbarer Abfall. Er hielt den Atem an, verrieb das klebrige Zeug auf seinen Klamotten und fetzte die Klinge seines neuen Messers durch Hose und Anorak. Anschließend öffnete er den Zapfhahn des Weincontainers und hielt sich das Plastikfässchen mit ausgestrecktem Arm über den Kopf. Wein gluckerte über seine Haare, sein Gesicht und seine Kleidung. Freire ekelte sich so sehr, dass er das Fässchen fallen ließ. Es hüpfte über den Boden wie ein Gummiball.
    Er krümmte sich und erbrach den Kaffee und die Croissants. Spritzer auf Kleidung und Schuhen versuchte er gar nicht erst zu vermeiden – ganz im Gegenteil. Mehrere Sekunden lang lehnte er sich an einen der Müllcontainer und wartete, dass die Übelkeit nachließ.
    Schließlich richtete er sich taumelnd auf. Seine Kehle fühlte sich wund an. Ein widerlicher Gestank nach Erbrochenem umgab ihn. Er verschloss sein Plastikfässchen, betrachtete seinen bekleckerten Pullover und wusste, dass er auf dem richtigen Weg war und eigentlich nur noch

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