Der Utofant
einschätzen würde, hatte sie nicht erwartet, sie habe plötzlich eine Zuneigung für Allfried J. empfunden, die über den mittleren Standard hinausgegangen sei. Womöglich sei da sogenannte Liebe ins Spiel gekommen. Isa berichtet dann, sie habe allmählich und unter großen Anstrengungen an ihren Feierabenden dem Allfried J. das Briefemachen beigebracht. Zunächst habe er nur Kurz-Texte herstellen können:
eintreffe 18 h
oder
nummer gestern spitze, wiederholg. vorges.
Nach einigen Monaten habe er schon so lange Sätze produziert wie
rep. morgen 17 deine geschirrbeförderungsanlage, bitte um bereitstellung l (einer) fl. wein, nicht zu sauer.
Zuallererst habe Isa von Allfried Briefe empfangen, die auch ein Automat hätte machen können, und das noch eleganter. Je mehr sie aber ihre eigenen Briefe verfeinert, je mehr maschinenunübliche Worte sie verwandt habe, desto stärker sei Allfried zu Wort- und Satzbauspielen provoziert worden. Er habe selber immer neue Varianten des Ausdrucks finden wollen. Ich glaube, meint sie, er faßte das Briefemachen damals als neues Spielchen für zwei Superhirne auf.
Das zweite Buch enthält schon Briefe, in denen Allfried zu Problemen, die Isa aufwirft, Stellung nimmt. Ja, schreibt er, es könne etwas schön sein, was nicht ganz rationell sei, doch dürfe es das auch? Zum Beispiel könne er nicht rationell erklären, warum die Liebestätigkeit manchmal total mißlinge, obwohl sie technisch einwandfrei und streng nach Vorschrift abgewickelt wurde, und andererseits, wenn man unkonzentriert, schußlig, die Vorschriften beiseite lassend, ja traumbenommen an diese Tätigkeit herangehe, sie Spitzenprodukte zeitige. Doch seien diese Produkte leider nicht konkret greifbar, es seien flüchtige Produkte, nicht einmal dem elektrischen Strom zu vergleichen, der immer wieder in gewünschter Stärke zu erzeugen sei. Man müßte Liebesprodukte stabilisieren und immer wieder auf Wunsch benutzen können. Darauf entgegnete Isa, dann würden sie sich rasch abnutzen… So geht es auf beinah tausend Seiten hin und her. Der zweite Titel war, wie es scheint, zunächst verboten, vom ersten heißt es, eine Auflage sei eingeschmolzen worden. In ihren Vorwörtern schreibt Isa, es hätten viele Interessenten die Bücher abkopiert und unter ihren Freunden ausgeteilt, und im StatistikLexikon ist nachzulesen, daß bald nach dem Bekanntwerden der unseriösen Titel die Produktion von sogenanntem Briefpapirol für Kommunikationsspiele begonnen habe. Erst halbwegs illegal, dann halboffiziell geduldet. Sie kam bis heute nicht gänzlich zum Erliegen. Allerdings – das ist bei den 0-Entfernungen der heutigen Welt unproblematisch – befördern die Kommunikanten ihre Objekte selbst, drücken sie als Geschenk verstohlen dem Empfänger in die Hand. Der öffnet es mit Spannung.
Der Reisebericht
An den klassischen Stätten
von Litus Aureum
Der Reiseleiter, dieses eiförmige Ding, das einem kurz vorm Niedergehen auf dem Flugplatz in die Hand gedrückt wird, beginnt seinen Vortrag, man solle Gleittreppe I betreten, um Podest A zu erreichen, von dem sich ein Blick über das Panorama von LITUS AUREUM biete. Vorher solle man aber die Sonnenmaske mit Fernblickautomatik aufsetzen, weil über dem Wasser des urgeschichtlichen Pontos Euxeinos die Strahlung blendend scharf sei. Ohne Schutzmedium würde man die klassischen Stätten nicht wahrnehmen können, die sich in einem von Schwimmfähnchen gekennzeichneten Areal unter Wasser befinden, sie wurden vom Meer überspült, aber bei ruhigem Wetter und mittels Fernblickautomatik (auf Intensivstufe gestellt) erkenne man deutlich die Kette der muschelweißen und muschelgrauen Steingebilde, die sich vor der Küste von LITUS AUREUM entlangzieht. Tatsächlich beginnt man nach einigem Starren die klassischen Unterwasserstätten zu sehen, geometrische, vom Medium Pontos Euxeinos optisch verzogene Quader, Walzen und Scheiben, durch deren Lochfassaden Fische ein und aus huschen, deren Dächer Meergemüse in Gärten verwandelt hat und durch deren Eingangshallen Krebse spazieren.
Zur Zeit ihrer Errichtung hätten diese Bauwerke nur wenige Meter vom Strand entfernt gestanden, dort etwa, wo man nach Erreichen des Podestes B die Kette muschelweißer und muschel-grauer Steingebilde sieht, durch deren Fensteröffnungen der blaue Himmel von LITUS AUREUM leuchtet. Der Reiseleiter, dieses Ei, beginnt in der schwitzenden Hand zu kleben, er informiert darüber, daß die Entdeckungen von LITUS
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