Der Väter Fluch
unserer Suche dabei sind. Außerdem wissen sie vielleicht, wo, zum Teufel, dieser Herald Way ist.«
35
Auf der Karte sah sie aus wie ein kleines Rinnsal, das sich in die Berge ergoss. Nach dem neuesten Stadtplan von L. A. gab es auf dem ganzen Herald Way nur eine einzige Kreuzung, und zwar mit einer vergleichsweise größeren Straße namens Manor Lane. Bert Martinez fuhr; Tom Webster hockte auf dem Beifahrersitz, mit einer Hand am Griff seines im Halfter steckenden Revolvers. Decker saß auf dem Rücksitz; er war zwar angeschnallt, lehnte aber halb über dem Körper seines Stiefsohns und bedeckte ihn wie einen Mantel. Tagsüber waren die Temperaturen im Valley auf über fünfunddreißig Grad geklettert, und auch in der Nacht blieb es warm und stickig. Jacob schwitzte unter dem Gewicht seines Vaters.
»Dad, ich kann kaum atmen.«
»Bleib unten.«
»Ich bin unten! Wenn ich noch weiter unten wäre, könnte ich nicht mal aus dem Fenster sehen. Das ist doch nicht der Zweck der Übung, oder?«
»Fahr langsamer, Bert.« Decker schaute sich um. Keine Straßenbeleuchtung; alles war dunkel, leer und bewaldet. Der Geruch von verfaulendem Laub mischte sich mit dem beißenden Gestank von Stinktiermarkierungen. Die feuchte Luft war erfüllt vom Sirren der Insekten, zwischen das sich die Rufe von Eulen mischten. Dazu kam das kontinuierliche Brummen des Verkehrs auf dem weit entfernten Freeway. »Okay, halt mal hier an.«
Martinez trat auf die Bremse. Sie standen an der angegebenen Straßenkreuzung. »Hier sind die Schilder - Manor Lane und Herald Way.« Decker beugte sich nach vorn und deutete durch die Windschutzscheibe. »Genau im Scheinwerferlicht.«
Jacob nickte.
»Erinnerst du dich an die Stelle?«
Der Junge neigte sich ebenfalls vor. »Ja...« Jacobs Herz schlug heftig. »Ja, das ist es.«
»Bist du sicher?«
»Ja, ich erinnere mich daran, dass die Straßenschilder nach unten zeigten... schief standen. Eigentlich sollte ich vorn sitzen -weil ich da auch gesessen habe, als sie mich nach Hause fuhr.«
»Ich weiß. Aber der Rücksitz ist sicherer. Du sitzt genau hinter deinem damaligen Platz, also dürfte deine Sicht ziemlich genau die gleiche sein.«
»Ja schon, aber ich kann eben nicht richtig durch die Windschutzscheibe sehen. Das ist ein Unterschied, Dad.«
»Du wirst leider darauf verzichten müssen. In welche Richtung von hier aus, Jacob?«
»Ich... ich weiß nicht genau.«
»Kein Problem. Lass dir Zeit.«
Die Stimme seines Stiefvaters klang beruhigend. Unangenehme Erinnerungen tauchten in Jacobs Gedanken auf. Er machte einige Handbewegungen, die Kurven simulieren sollten, schüttelte dann aber den Kopf. »Ich erinnere mich, dass wir den Berg heruntergefahren sind. Wo steigt die Straße am stärksten an?«
»Links«, erwiderte Webster.
»Also fahren wir nach links«, befahl Decker. »Setz dich wieder hin und schnall dich an.«
»Schon gut, schon gut. Du benimmst dich wie meine Mutter.«
»Wenn ich deine Mutter wäre, wärst du jetzt nicht hier.«
Martinez bog nach links in eine nur teilweise betonierte Straße ein. Obwohl der Honda Schritttempo fuhr, protestierten die Stoßdämpfer bei jedem Buckel, jeder Mulde und jedem Schlagloch. Kies knirschte unter den Reifen. Bert legte den Schalter für den Vierradantrieb um. »Ich wusste doch, dass dieses Auto eines Tages mal ganz nützlich sein würde.«
»Brauchst du das heute zum ersten Mal?«, fragte Webster.
»Für Bergstraßen schon. Meine Frau schaltet immer den Vierradantrieb ein, wenn es gießt.«
»Kommt dir irgendwas bekannt vor?«, fragte Decker seinen Sohn.
Jacobs Blick wanderte über die Formen und Schatten des Geländes. »Nein. Es... es sieht alles gleich aus.«
»Mach dir keine Sorgen. Es ist nur ein Versuch. Niemand erwartet Ergebnisse von dir.« Das war auch gut so, denn er würde keine liefern können. Jacob schluckte. Peter machte sich keine Vorstellung davon, wie sehr Drogen die Wahrnehmung beeinflussen konnten. Wenn man zugedröhnt war, erlebte man die wildesten Sachen. Einige Erinnerungen aus dieser Nacht hatten sich unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt, so unverwechselbar wie ein Fingerabdruck. Der Eukalyptusbaum beispielsweise, dessen Stamm sich im Canonwind bog, bis er geborsten war: Er hatte Jacob an ein buckliges altes Weib mit einem Wanderstab erinnert - Ruby hatte er sich so vorgestellt, selbst noch, nachdem sie miteinander im Bett gewesen waren. Sogar jetzt, wo ihr Leben in Gefahr war, konnte Jacob nicht anders,
Weitere Kostenlose Bücher