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Der Väter Fluch

Der Väter Fluch

Titel: Der Väter Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Pelikanen, Hochseefischen, Blauwalen, Delfinen. In einem Regal neben dem Kamin lagen Korallenstücke und verschiedene Muschelschalen. Gläserne Schiebetüren führten hinaus auf eine Veranda und boten freie Sicht auf den blauen, weiten Pazifik - Mahnung an die Bedeutungslosigkeit des Menschen.
    Am Fuß der Treppe stand ein weiterer Polizist. Er nickte Baum zu, als sie die Stufen emporstiegen.
    Das Obergeschoss enthielt zwei Schlafzimmer mit jeweils eigenem Bad. Das größere besaß einen Holzbalkon mit Pazifikblick. Auf einem großen französischen Bett mit einer weiß bezogenen Daunendecke türmten sich weiße bestickte Kissen. Alles sehr hell und heiter, wären da nicht der schwarze Staub und vor allem die Leiche an einer Zimmerwand gewesen. Das zerstörte den beruhigenden Zen-Effekt.
    Decker starrte auf die Leiche. Dee saß halb aufrecht. Die Haltung ihrer Arme wurde von einem rosaroten Neglige verdeckt. Ihr Kopf war nach links geneigt, und Blut lief aus Mund und Nase. Neben ihr schoss eine grauhaarige, ungefähr ein Meter fünfzig große und vierzig Kilo leichte Großmutter Fotos.
    Die Großmutter drückte auf den Auslöser, und Dee hielt ganz still. »Schade um die schöne Reizwäsche.« Sie sah Deckers stoische Miene. »Noch nie was von schwarzem Humor gehört?«
    »Wie sind Sie denn an diesen Job gekommen?«, fragte Decker.
    »Ich bin siebenundsiebzig«, antwortete sie. »Wie viele Bar Mizwas kann man im Leben fotografieren?« Sie schraubte das Objektiv von der Nikon. »Ich bin hier fertig und mache Ihnen ein bisschen Platz.«
    »Danke«, sagte Decker.
    »Keine Ursache«, gab die Großmutter zurück. »Ich weiß, dass Sie mich reizend finden. Sie müssen Ihr Lächeln nicht verbergen.« Decker lächelte. Sie war tatsächlich reizend. Aber Mord war gar nicht reizend. Dee hatte den direkten Weg ins Nichts gewählt - ein Schuss in den Mund, der das Stammhirn zerfetzte und zum sofortigen Tod führte. Für einen Laien war diese Methode ungewöhnlich. Sie schössen sich meistens in die Schläfe. Aber vielleicht hatte Dee genug Krimis gesehen. Ungewöhnlich war allerdings ihre Lage: neben dem Bett auf dem Fußboden und nicht auf dem Bett. Natürlich hätte sie auch aus dem Bett fallen können, aber die Blutspritzer schlossen dies aus.
    Der Amtsarzt stand ein, zwei Meter neben der Leiche und hielt ein Röhrchen mit Blut ins Licht. Er war jung und schlank, hatte aber breite Schultern und bewegte sich etwas ruckartig. Sein Lächeln entblößte große Zähne, und die runden Augen im asiatischen Gesicht verrieten westliches Blut. Er hieß Cuck Liu.
    »Fast ein bisschen zu ordentlich für einen Selbstmord.« Liu beschriftete ein Etikett für das Röhrchen, ohne die Handschuhe auszuziehen. Er klebte es auf und steckte die Blutprobe in eine Plastiktüte. »Aber ich habe gehört, dass sie ihren Ehemann in einer verfänglichen Situation mit einem jungen Mann erwischt hat?«
    Decker machte eine unbestimmte Handbewegung.
    »War sie eifersüchtig?«, fragte Liu.
    »Ich weiß nichts über sie, außer dass sie und ihr Mann den gleichen Beruf und eine gemeinsame Praxis hatten.«
    »Ein sicherer Weg in die Katastrophe. Meinen Sie nicht auch?«
    »Ich spare mir meine Beurteilung für später auf, wenn ich mehr weiß. Was können Sie mir über die Todeszeit sagen?«
    »Vor acht bis zwölf Stunden. Sie ist noch nicht sehr steif, aber die Unterseiten der Schenkel und Waden sind rot und geschwollen. Das Blut, in dem sie sitzt, ist von ihrem Gewebe absorbiert worden. Das dauert.«
    Decker nickte. Dee war also zwischen fünf und neun Uhr .am Morgen gestorben. Ein möglicher Täter hätte genügend Zeit gehabt, von den Bergen bis hierher zu gelangen und auch sie zu töten.
    Der Arzt hüllte Dees Hände in Plastiktüten. »Da sind Schmauchspuren dran.«
    »Sie hat die Waffe also abgefeuert«, sagte Baum.
    »Nicht die Waffe«, korrigierte Liu. »Eine Waffe. Wenn sie im Tiefschlaf war oder unter Drogen stand, hätte ihr auch jemand die Waffe in den Mund stecken und mit ihrem Finger abdrücken können. Wenn ich die Blutuntersuchungen abgeschlossen habe, kann ich mehr sagen.«
    »Sieht es denn für Sie nach Selbstmord aus?«, fragte Baum.
    »Klar.«
    »Aber es könnte auch Mord gewesen sein«, sagte Martinez. »Klar.«
    »Ist von ihrem Mund noch was übrig?«, fragte Decker.
    »Der vordere Teil des Oberkiefers ist teilweise noch intakt.« Liu schob ihr einen Zahnarztspiegel zwischen die Lippen, der mit einer winzigen Taschenlampe versehen war,

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