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Der Väter Fluch

Der Väter Fluch

Titel: Der Väter Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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damit er in der dunklen Mundhöhle etwas sehen konnte. »Ja, die Schneide- und Eckzähne sind noch da. Sieht so aus, als wäre die Kugel durch den Gaumenknochen abgelenkt worden und dann schräg nach oben ins Stammhirn gedrungen.«
    »Vom hinteren Gaumen noch was übrig?«, wollte Decker wissen.
    »Nichts.«
    »Vom vorderen?«
    »Ja, ein paar Gewebefetzen... nein, doch ein bisschen mehr. Bis zu den vorderen Backenzähnen. Ich kann sogar noch den Anfang des Gaumenbogens sehen, aber da hinten ist alles ziemlich versengt.«
    »Erkennen Sie Schnitte oder Risse?«
    »Kann ich nicht sagen.« Liu zog den Spiegel aus dem Mund. »Was glauben Sie?«
    »Wenn man ihr die Pistole in den Mund gesteckt hätte, könnte sie sich gewehrt haben, und der Lauf hätte ihre Wangen und ihren Gaumen verletzt.«
    »Das weiche Gewebe ist von der Hitze des Schusses verbrannt.« Er dachte über Deckers Theorie nach. »Ich werde darauf achten, wenn ich sie auf dem Tisch habe.«
    »Und wenn Sie mir vielleicht auch noch etwas über die Menge des Pulvers an ihrer Hand sagen könnten«, fuhr Decker fort.
    »Falls es tatsächlich jemand anderes war und der dabei seine Hand auf ihre Hand gelegt hat, müssen doch auch auf dessen Hand Schmauchspuren zu finden sein.«
    »Dann sollten Sie vielleicht nach jemandem mit Schmauchspuren an der Hand suchen«, sagte Liu.
    »Also glauben Sie, dass es kein Selbstmord war?«, fragte Baum.
    »Ich glaube gar nichts«, erwiderte Liu. »Ich will nur sagen, wenn Sie einen Verdächtigen haben, sollten Sie ihn auf Pulverspuren untersuchen.«
    Großartige Idee. Nur hatten sie im Moment keinen Verdächtigen. »Wo ist die Waffe?«
    »Schon eingepackt«, sagte Martinez.
    »Und das Projektil?«
    »Steckt in der Wand«, meinte Baum. »Die Spurensicherung kümmert sich darum.«
    »Ich bin so gut wie fertig. Sie können schon mal den Leichenwagen holen.« Liu blickte an sich hinunter, auf seine blutigen Handschuhe und sein Hemd. »Ich bin nicht gerade für die Zwanziguhrnachrichten angezogen.« Er streifte die Gummihandschuhe ab und warf sie in eine Tüte, auf der »Nicht steril« stand. »Wäre nett, wenn Sie die Kameraleute ein bisschen ablenken könnten: Ich möchte gern ohne Aufsehen verschwinden.«
    »Um die kümmern wir uns schon«, sagte Baum.
    »Wenn ich sie aufgeschnitten habe, kann ich Ihnen mehr verraten. Wann wollen Sie den Obduktionsbericht? Gestern?«
    »Ja, das wäre gut«, meinte Decker.
    »Typisch«, seufzte Liu. »Ich tue, was ich kann. Für gute Wellen ist es jetzt sowieso zu spät.«
    »Sind Sie Surfer?«, fragte Martinez.
    Liu blickte versonnen. »Nirgendwo kann man die hässliche Welt so gut vergessen wie im Innern eines herrlichen Zweimeterbrechers.«
    Athena Eaton war um die fünfzig und magersüchtig, hatte pechschwarzes Haar und eine dicke Schicht Makeup im Gesicht. Als Decker sie befragen wollte, hatte sie schon drei Tabletten geschluckt und schwankte zwischen schläfrig und hysterisch verwirrt. Schließlich gab er zwei Polizisten den Auftrag, sie nach Hause zu bringen und am nächsten Tag nach ihr zu sehen. Da Baums Leute die Gegend nach Zeugen absuchten, gab es keinen zwingenden Grund für Decker, vor Ort zu bleiben.
    Es waren einfach zu viele Informationen zu verarbeiten, und er benötigte mindestens eine Stunde Ruhe, um alles zu ordnen. Der Papierkram wuchs ihm schon jetzt über den Kopf, und ihm war klar, dass er bis zum Morgengrauen dafür brauchen würde. Aber bevor er damit anfing, musste er zu Hause vorbeischauen. Sein Stiefsohn Sammy kehrte nach einem Jahr in Israel zurück, und wenn er nicht da war, um ihn zu empfangen, würde er es sein Leben lang bereuen. Ganz abgesehen davon, dass er Sammy schrecklich vermisst hatte und ihn unbedingt sehen wollte.
    Und da sagte man immer, Frauen hätten es schwer, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.
    Als er in die Einfahrt bog, durchzuckte ihn ein kurzer Schreck. Rinas Auto stand nicht vor dem Haus. Selbst bei dichtestem Verkehr hätten die beiden schon vor zwei Stunden vom Flughafen zurück sein müssen. Vielleicht waren sie in ein koscheres Restaurant zum Essen gegangen. Das hoffte er wenigstens.
    Als er die Haustür öffnete, hörte er sofort die schrillen, verzerrten Schreie von Comicfiguren, die zerschmettert, zerquetscht, zerrissen oder verbrannt wurden. Er ging ins Zimmer seiner Tochter.
    »Hallo.«
    Hannah sah auf. »Dadddyyy!«
    »Hannah Rosiiiie!«
    Sie sprang auf, und er hob sie hoch und drehte sie im Kreis. Dann küsste er sie auf die

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