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Der Vampir, den ich liebte

Der Vampir, den ich liebte

Titel: Der Vampir, den ich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Fantaskey
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wieder. Bis du aufhörst, solch schnippische Dinge zu sagen, wie
›muffige alte Schriftrolle‹, und verstehst, wer du bist.«
    Ausnahmsweise
warf ich ihm nicht gleich eine passende Bemerkung an den Kopf. Etwas an seinem
Gesichtsausdruck hielt mich zurück.
    Nach einem
langen Schweigen richtete Lucius seine Aufmerksamkeit wieder auf das Buch. Ich
merkte, dass ich tief Luft holen musste. Unbewusst hatte ich für einige Sekunden
aufgehört zu atmen. Verdammt. In meinem Bauch schien sich ein Wurf
zappelnder Kätzchen auszutoben. Ich ignorierte den Stammbaum und betrachtete
Lucius' Profil. Eine Welle ebenholzschwarzen Haars fiel ihm über die hohe
Stirn und an seinem Kinn zuckte ein Muskel. Da, wo er sich über das Gesicht
gerieben hatte, entdeckte ich eine kleine Narbe, die vom Mund bis zum
Kinn verlief.
    Ehre.
Disziplin. Gewalt. Was hatten diese Ältesten ihm angetan?
    Ich war an
Männer wie meinen Dad und die anderen Väter, die ich kannte, gewöhnt. Nette
Burschen. Männer, die Khakihosen trugen, mit ihren Kindern Kickball spielten
und zu Weihnachten komische Krawatten anzogen. Lucius unterschied sich von
ihnen, wie seine Waffensammlung sich von Moms Puppen unterschied. Er war
unzweifelhaft charmant,
wenn er wollte, seine Manieren waren geschliffen, aber direkt unter der
Oberfläche schlummerte eine gefährliche Härte.
    »Das dort
sind deine Eltern«, fuhr Lucius fort und seine Stimme war sehr leise. Ich
richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den Stammbaum, während er mit den
Fingern über die Namen Mihaela und Ladislau strich, direkt über meinem eigenen.
    Meine
leibliche Mutter. Mein leiblicher Vater. Auch die Daten ihres Todes waren auf
der Rolle festgehalten.
    Am liebsten
hätte ich laut aufgestöhnt vor lauter Frustration und Ärger. Warum müssen
wir immer wieder auf meine leiblichen Eltern zu sprechen kommen? Es hätte
ein glückliches Jahr für mich sein sollen. Eine sorglose Zeit. Aber dann war
Lucius eingetroffen und mit ihm meine Vergangenheit. Er zog mich nicht nur mit
einer blödsinnigen Geschichte über Vampire und eine Hochzeit runter, er
versuchte zusätzlich auch noch, mich mit meiner Vergangenheit einzufangen. Mir
eine Schlinge um den Hals zu legen und mich über einen Friedhof zu schleifen.
Lucius' Anwesenheit war eine ständige Erinnerung daran, wer ich in Rumänien
vielleicht gewesen wäre, wenn man mich nicht nach Amerika gebracht hätte. Eine
Erinnerung nicht nur an Vampire, sondern auch an Geister. Die Geister von
Mihaela und Ladislau Dragomir.
    Sie
waren Fremde ... Ich werde nicht um sie trauern ... Und trotzdem war ich traurig.
    Sein
eigener Kummer machte Lucius' Stimme noch sanfter. Er zeichnete mit dem Finger
die unvertrauten Worte Valeriu und Reveka nach. »Und das waren
meine Eltern.«
    Ich wollte
etwas sagen. Das Richtige. Aber ich wusste nicht, was das sein mochte, für
keinen von uns beiden. »Lucius ...«
    »Siehst du
dieses Datum«, fuhr er fort, ohne mich anzusehen. »Unter unseren Namen? Das
markiert unsere Verlobungszeremonie. Unsere Eltern haben dieses Datum notiert.
Zumindest einer von ihnen.« Der Hauch eines sehnsüchtigen Lächelns umspielte
seine Lippen. »Das war ein großer Tag für die Vladescus und die Dragomirs. Unsere
beiden widerstreitenden Gans in Frieden. Bereit, sich zu vereinen. So viel
Macht an ein und demselben Ort. Wie oft habe ich diese Geschichte gehört?«
    »Aber genau
das ist es doch ... es ist eine Geschichte.«
    »Es ist ein
Erlass.« Lucius schlug das Buch donnernd zu. »Es ist uns bestimmt, zusammen zu
sein. Ungeachtet der Gefühle, die wir füreinander hegen. Ungeachtet der Tatsache,
wie sehr du mich verachtest.«
    »Ich
verachte dich nicht ...«
    »Nein?« Er
zog die Augenbrauen hoch und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Das
hast du bisher aber gut versteckt.«
    Ich drehte
den Spieß um. »Du redest viel über Verpflichtung und Verantwortung und
Ritterlichkeit, aber ich habe dabei irgendwie auch nicht gerade den Eindruck,
dass du mich besonders gern hast. Du kannst mir nicht erzählen, dass du mich
heiraten willst. Eben hast du mich ein Kind genannt!«
    Es dauerte
lange, bis Lucius antwortete. »Du bist mir ein Rätsel, Jessica«, sagte er
schließlich. »Ein Mysterium. Aber zumindest bin ich offen für die Möglichkeit,
Dinge zu erkunden, die ich nicht verstehe.«
    Das
schwache Licht spiegelte sich in seinen schwarzen Augen und wir waren einander
nun so nahe, dass ich den schwachen Schatten von Bartstoppeln auf seinen Wangen
sehen

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