Der Vampir der mich liebte
werde mein Bestes tun, um dich zu schützen«, sagte ich sanft. Ich rieb mir das Gesicht mit den Händen. Gleich würde ich im Stehen einschlafen. »Jetzt komm schon«, sagte ich und ergriff seine Hand. Die Decke fest umklammert, trottete er hinter mir die Diele entlang, ein schneeweißer Riese in einer winzigen roten Unterhose.
Im Laufe der Jahre war an mein altes Haus immer wieder angebaut worden, dennoch war es nie mehr als ein bescheidenes Bauernhaus gewesen. Um die letzte Jahrhundertwende hatte es ein zweites Stockwerk erhalten mit zwei zusätzlichen Schlafzimmern und einer Dachkammer, wohin ich allerdings nur noch höchst selten gehe. Meistens ist dort abgeschlossen, schon um Strom zu sparen. Unten gibt es auch zwei Schlafzimmer, ein kleineres, das ich benutzt habe, bis meine Großmutter starb, und ihr größeres Zimmer, das schräg gegenüber auf der anderen Seite der Diele liegt. Nach ihrem Tod bin ich in das größere Zimmer gezogen. Doch das Versteck, das Bill gebaut hatte, war im kleineren Schlafzimmer. Ich führte Eric dort hinein, knipste das Licht an, versicherte mich, dass die Rollläden heruntergelassen waren, und zog noch die Vorhänge vor. Dann öffnete ich den eingebauten Schrank, nahm die paar darin liegenden Sachen heraus, schlug das Stückchen Teppich zurück, das den Boden bedeckte, und legte die Falltür frei. Darunter befand sich ein lichtdichter Raum, den Bill vor ein paar Monaten gebaut hatte, damit er auch über Tag bleiben konnte oder ein Versteck besaß, wenn es ihm zu Hause einmal nicht sicher genug erschien. Bill liebte es, Schlupflöcher zu haben, und ich könnte schwören, dass es einige gab, von denen ich nichts wusste. Wenn ich ein Vampir wäre (Gott bewahre), hätte ich allerdings auch welche.
Ich schlug mir diese Gedanken an Bill schnell wieder aus dem Kopf, da ich meinem widerstrebenden Gast erklären musste, wie er die Falltür über sich so schloss, dass der Teppich wieder darüber fiel. »Wenn ich aufstehe, werde ich die anderen Sachen wieder in den Schrank tun, dann sieht es ganz normal aus«, versicherte ich ihm und lächelte ihn ermutigend an.
»Ich muss da doch jetzt noch nicht hinein?«, fragte er.
Eric richtete eine Bitte an mich: Die Welt stand wirklich Kopf. »Nein«, sagte ich und versuchte, meiner Stimme einen freundlichen Tonfall zu verleihen. Ich konnte nur noch an mein eigenes Bett denken. »Das muss nicht sein. Geh einfach vor Sonnenaufgang hinein. Das wirst du wohl auf keinen Fall verpassen, stimmt's? Ich meine, du kannst doch nicht einschlafen und erst bei Sonnenschein wieder aufwachen, oder?«
Er dachte einen Augenblick nach und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Ich weiß, dass das nicht passieren kann. Darf ich so lange mit in dein Zimmer?«
O Gott, dieser Welpenblick . Von einem 1,95 Meter großen uralten Wikinger-Vampir. Das war einfach zu viel. Ich besaß nicht mehr genug Energie, um noch laut loszulachen, also stieß ich nur ein trauriges kleines Kichern aus. »Also, komm«, sagte ich mit einer Stimme so schwach wie meine Beine. Ich knipste das Licht in dem kleinen Zimmer aus, ging durch die Diele und schaltete die Lampe in meinem eigenen Zimmer an, das gelb und weiß und sauber und warm war, und schlug die Tagesdecke, die Decke und das Laken zurück. Während Eric verloren in einem alten Lehnsessel auf der anderen Seite des Bettes saß, zog ich mir Schuhe und Socken aus, holte ein Nachthemd aus der Kommode und ging ins Badezimmer. Nach zehn Minuten war ich wieder draußen, mit frisch geputzten Zähnen und sauberem Gesicht und eingehüllt in ein sehr altes, sehr weiches Flanellnachthemd, cremeweiß und über und über mit blauen Blümchen bestickt. Die Bündchen waren ausgefranst und die Rüsche am Saum gab ein klägliches Bild ab, aber ich liebte es sehr. Nachdem ich das Licht ausgemacht hatte, fiel mir ein, dass mein Haar noch in seinem üblichen Pferdeschwanz hochgebunden war. Ich zog das Haargummi, das es zusammenhielt, ab und schüttelte den Kopf, damit es locker auseinander fiel. Sogar meine Kopfhaut schien sich zu entspannen und ich seufzte erleichtert auf.
Als ich in das hohe alte Bett kletterte, tat mein nervtötender Riesenwelpe dasselbe. Hatte ich ihm tatsächlich erlaubt, zu mir ins Bett zu kommen? Nun, ich war so müde, dass es mir völlig egal war, ob Eric es irgendwie auf mich abgesehen haben sollte, sagte ich mir, während ich mich unter die weichen alten Laken und die Decke und das Deckbett kuschelte.
Ȁh,
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