Der Vampir der mich liebte
mit dir«, sagte Eric. Scharfsinnig war er schon immer.
»Ja, mit mir stimmt eine ganze Menge nicht.« In diesem Moment hätte ich ihn zu gern umarmt, aber dann wäre alles nur noch komplizierter geworden. »Es wird wohl bald schneien.«
»Schnee, hier?« Eric war begeistert wie ein kleines Kind. »Ich liebe Schnee!«
Warum überraschte mich das kein bisschen?
»Vielleicht werden wir ja zusammen eingeschneit«, sagte er und zuckte anzüglich mit seinen blonden Augenbrauen.
Ich lachte. Ich konnte einfach nicht anders. Und das war verdammt viel besser als zu weinen, was ich zuletzt ja zur Genüge getan hatte. »Als ob dich je das Wetter abgehalten hätte, zu tun, was du tun willst«, sagte ich und stand auf. »Komm, ich mache dir etwas Blut warm.«
Schon die paar gemeinsam verbrachten Nächte hatten mich so liebevoll gestimmt, dass ich auf mein Verhalten achten musste. Einmal strich ich ihm fast übers Haar, als ich an ihm vorbeiging; und ein andermal beugte ich mich schon vor, um ihn zu küssen, und musste dann behaupten, mir wäre etwas heruntergefallen.
Als Pam eine halbe Stunde später an die Tür klopfte, war ich fertig für die Arbeit und Eric äußerst zappelig.
Pam hatte sich kaum hingesetzt, da bombardierte er sie schon mit Fragen. Ich sagte noch, dass ich gehen müsste, aber sie haben wohl gar nicht mehr bemerkt, wie ich durch die Küchentür verschwand.
Im Merlotte's war am späteren Abend nicht besonders viel los, nachdem zuvor eine ganze Menge Leute zum Abendessen da gewesen waren. Ein paar Schneeflocken hatten die meisten Stammgäste davon überzeugt, sich lieber nüchtern auf den Heimweg zu machen. Aber es waren noch genug andere da, um Arlene und mich einigermaßen zu beschäftigen. Sam fing mich ab, als ich mein Tablett gerade mit sieben Bierkrügen belud, und wollte alles über die letzte Nacht hören.
»Ich erzähl's dir später«, versprach ich. Diese Geschichte musste ich erst noch sehr sorgfältig zurechtstutzen.
»Irgendeine Spur von Jason?«, fragte er.
»Nein«, erwiderte ich und war plötzlich trauriger denn je. Das letzte Mal hatte die Polizistin am Telefon beinahe bissig geklungen, als ich anrief und nachfragte, ob es irgendwelche Neuigkeiten gab.
Kevin und Kenya kamen an diesem Abend nach Dienstschluss in die Bar. Als ich ihnen ihre Drinks (einen Bourbon mit Cola und einen Gin Tonic) brachte, sagte Kenya: »Wir haben wirklich nach deinem Bruder gesucht, Sookie. Tut mir leid.«
»Ich weiß, alle haben sich sehr bemüht«, erwiderte ich. »Und ich bin euch unheimlich dankbar, dass ihr diese Suchaktion organisiert habt! Ich wünschte nur...« Und dann fehlten mir einfach die Worte. Dank meiner »Behinderung« erfuhr ich in diesem Augenblick etwas über sie, das der jeweils andere nicht ahnte. Sie liebten einander. Doch Kevin wusste, dass seine Mutter ihren Kopf eher in den Gasofen stecken würde als zuzusehen, wie er eine schwarze Frau heiratete; und Kenya wusste, dass ihre Brüder Kevin lieber ungespitzt in den Boden rammen würden, als sie mit ihm vor den Altar treten zu sehen.
Und ich wusste das jetzt. Ich ganz allein. Keiner der beiden ahnte etwas von den Gedanken des anderen. Oh, wie ich es hasste, diese privaten Dinge mitzubekommen, all diese intimen Dinge, die sich mir einfach aufdrängten.
Schlimmer als dieses Wissen war nur die Versuchung, mich einzumischen. Eisern sagte ich mir, dass ich schon genug eigene Probleme hatte, auch ohne in denen anderer Leute herumzupfuschen. Zum Glück war ich den restlichen Abend über genug beschäftigt, um diese Versuchung wieder aus meinem Hirn zu drängen. Doch ich war den beiden Polizisten etwas schuldig. Sollte ich von irgendwas erfahren, das ich ihnen sagen konnte, würde ich es tun.
Als das Merlotte's zumachte, half ich Sam, die Stühle auf die Tische zu stellen, damit Terry Bellefleur morgen früh durchwischen und auch die Toiletten sauber machen konnte. Arlene und Tack waren >Let It Snow< singend gemeinsam durch die Hintertür verschwunden. Tatsächlich trieben draußen Schneeflocken, die aber wohl den nächsten Morgen nicht erleben würden. Ich dachte an all die Geschöpfe im Wald, die heute Nacht trocken und warm zu bleiben versuchten. Und ich wusste, dass irgendwo dort draußen im Wald Debbie Pelt in einem Loch lag, für immer kalt.
Wie lange würde ich noch auf diese Weise an sie denken müssen, fragte ich mich und hoffte, ich würde mich stets genauso deutlich daran erinnern, was für eine schreckliche Person sie gewesen
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