Der Vampir der mich liebte
schöne Gartenmöbel aufgestellt, die er im Ausverkauf bei Wal-Mart ergattert hatte. Für seine Freunde, die zum Rauchen hinausgingen, hatte Jason sogar einen Aschenbecher auf den schmiedeeisernen Tisch gestellt. Irgendwer hatte ihn benutzt. Hoyt rauchte, erinnerte ich mich. Sonst war auf der Veranda nichts Auffälliges zu sehen.
Der Boden fiel von der Veranda zum Teich hin etwas ab. Während Alcee Beck die Hintertür überprüfte, schaute ich zu dem Steg hinunter, den noch mein Vater gebaut hatte, und sah dort einen verschmierten Fleck auf dem Holz. Bei diesem Anblick krampfte sich irgendetwas in mir zusammen, und ich muss einen Laut ausgestoßen haben. Plötzlich stand Alcee neben mir, und ich sagte: »Sehen Sie sich den Steg an.«
Er war sofort ganz Aufmerksamkeit, wie ein Jagdhund. »Bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte er in unmissverständlich offiziellem Tonfall. Vorsichtig bewegte er sich vorwärts und suchte vor jedem Schritt den Boden um seine Füße mit den Augen ab. Es schien mir eine Stunde zu dauern, bis Alcee endlich den Steg erreichte. Auf den von der Sonne ausgeblichenen Holzbohlen ging er in die Hocke und sah sich die Sache von nahem an. Er konzentrierte seinen Blick auf etwas rechts neben dem Schmierfleck und versuchte es einzuordnen. Ich konnte weder sehen, was es war, noch konnte ich es in seinen Gedanken ausmachen. Doch als er überlegte, was für Schuhe mein Bruder wohl bei der Arbeit trug, kam das klar und deutlich bei mir an.
»Caterpillars«, rief ich. Angst breitete sich in mir aus, bis ich spürte, wie sie meinen ganzen Körper erzittern ließ. Jason war alles, was ich hatte.
Und dann merkte ich, dass ich einen Fehler begangen hatte, der mir schon seit Jahren nicht mehr unterlaufen war: Ich hatte eine Frage beantwortet, ehe sie laut ausgesprochen worden war. Ich schlug mir die Hand vor den Mund und sah das Weiße in Becks Augen. Er wollte nur noch weg von mir. Und er dachte, dass Jason vielleicht im Teich lag, tot. Er vermutete, dass Jason gefallen, mit dem Kopf auf den Steg aufgeschlagen und dann ins Wasser geglitten war. Aber da war auch dieser rätselhafte Abdruck...
»Wann können Sie den Teich absuchen lassen?«, rief ich.
Er drehte sich zu mir um, nackte Angst im Gesicht. Seit Jahren hatte mich niemand mehr mit diesem Ausdruck angesehen. Ich hatte ihm einen Schreck eingejagt, obwohl das ganz und gar nicht meine Absicht gewesen war.
»Da ist Blut auf den Holzbohlen«, fügte ich hinzu, um die Sache etwas zu entspannen. Es war mir in Fleisch und Blut übergegangen, vernünftige Erklärungen zu liefern. »Ich habe Angst, dass Jason ins Wasser gefallen ist.«
Das schien Beck etwas zu beruhigen. Er richtete seinen Blick wieder aufs Wasser. Mein Vater hatte gerade diese Stelle für das Haus ausgesucht, weil er hier den Teich anlegen wollte. Als ich ein Kind war, hatte er mir erzählt, dass der Teich sehr tief sei und von einem kleinen Bach gespeist werde. Etwa zwei Drittel des Landes drum herum waren gerodet und wurden als Hofgelände genutzt, doch auf der anderen Seite reichte immer noch ein dichter Wald bis ans Ufer heran. Jason saß abends gern mit einem Fernglas auf der Veranda und beobachtete die Tiere, die zum Trinken hierher kamen.
Es waren auch Fische im Teich. Er hatte den Bestand selbst angesiedelt. Mir drehte sich der Magen um.
Schließlich kam der Detective wieder zur Veranda herauf. »Ich muss erst mal rumtelefonieren und sehen, wer tauchen kann«, sagte Alcee Beck. »Es kann eine Weile dauern, bis wir jemanden finden. Und der Sheriff muss sein Okay geben.«
Natürlich, so etwas kostete Geld, und der Betrag war wohl kaum im Gemeindebudget vorgesehen. Ich holte tief Luft. »Sprechen Sie von Stunden oder von Tagen?«
»Ein, zwei Tage wahrscheinlich«, sagte er schließlich. »So was kann auf keinen Fall jemand Ungeübtes tun. Es ist zu kalt, und Jason selbst hat mir erzählt, dass der Teich tief ist.«
»In Ordnung«, sagte ich und versuchte, meine Ungeduld und meine Wut zu unterdrücken. Die schiere Angst nagte an mir.
»Carla Rodriguez war gestern Abend in der Stadt«, erzählte Alcee Beck, und erst einen langen Augenblick später begriff ich, was das bedeutete.
Carla Rodriguez, zierlich und dunkel und elektrisierend, war die einzige Frau, an die Jason fast sein Herz verloren hätte. Die kleine Gestaltwandlerin, mit der er zu Silvester verabredet war, hatte ihr ziemlich ähnlich gesehen. Carla war zu meiner großen Erleichterung vor drei Jahren nach Houston
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