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Der Vampir der mich liebte

Der Vampir der mich liebte

Titel: Der Vampir der mich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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(Na ja, so hochklassig, wie das in Bon Temps eben möglich ist.) Tara und ich hatten uns vor Jahren angefreundet, weil sie aus familiären Verhältnissen kam, die noch trauriger waren als meine.
    Doch die hochgewachsene Frau neben ihr stellte selbst Tara in den Schatten. Sie hatte ebenso dunkles Haar wie meine Freundin, in ihrem glänzten allerdings rötliche Strähnchen, die ein echter Hingucker waren. Ihre Augen waren dunkel und sehr groß und mandelförmig, fast unnatürlich groß. Ihre Haut schimmerte weiß wie Milch und ihre Beine waren so lang wie eine Leiter. Zudem war sie mit herrlichen Brüsten gesegnet, und sie trug von Kopf bis Fuß die Farbe Feuerwehrrot. Ihr Lippenstift war natürlich darauf abgestimmt.
    »Sookie«, rief Tara. »Was ist denn los?« Vorsichtig ging sie auf mein altes Auto zu, den Blick auf die Füße gerichtet, weil ihre glänzenden braunen, hochhackigen Lederstiefel keine Schramme abbekommen sollten. Die wären höchstens fünf Minuten an meinen Füßen geblieben. Herrje, ich verbringe einfach zu viel Zeit auf den Beinen, um mir Gedanken über hübsche, aber unpraktische Schuhe zu machen.
    Tara sah erfolgreich, attraktiv und selbstbewusst aus in ihrem graugrünen Pullover und der graubraunen Hose. »Ich habe im Polizeifunk gehört, dass irgendwas bei Jasons Haus los ist«, sagte sie. Sie setzte sich auf den Beifahrersitz, beugte sich herüber und nahm mich in den Arm. »Und als ich bei Jason ankam, sah ich dich wegfahren. Was ist los?« Die Frau in Rot stand mit dem Rücken zu meinem Auto und blickte taktvoll in den Wald.
    Ich hatte meinen Vater geliebt, und ich hatte immer gewusst (und meine Mutter selbst war fest davon überzeugt gewesen), dass auch meine Mutter - was immer ich ihretwegen durchmachen musste - stets aus Liebe zu mir gehandelt hatte. Taras Eltern dagegen waren richtig schlechte Menschen gewesen, zwei Alkoholiker, die ihre Kinder misshandelt hatten. Taras ältere Schwestern und Brüder hatten ihr Zuhause so schnell wie möglich verlassen und es Tara als der Jüngsten überlassen, die Kosten ihrer Freiheit zu begleichen.
    Und jetzt steckte ich in Schwierigkeiten, und schon war sie da und bot mir ihre Hilfe an.
    »Tja, Jason ist verschwunden«, sagte ich in ziemlich ruhigem Tonfall, machte dann aber die Wirkung zunichte, indem ich einen dieser furchtbar erstickt klingenden Schluchzer ausstieß. Ich wandte das Gesicht ab. Es war mir peinlich, meinen Kummer vor dieser anderen Frau offen zu zeigen.
    Klugerweise überging Tara meine Tränen und stellte mir die nahe liegenden Fragen: Hatte Jason seinen Chef angerufen? Hatte er mich gestern Abend angerufen? Mit welcher Frau war er zuletzt häufiger ausgegangen?
    Das erinnerte mich an die Gestaltwandlerin, mit der Jason zu Silvester verabredet gewesen war. Ich könnte sogar von der Andersartigkeit dieser Frau erzählen, fand ich, denn Tara hatte an jenem Abend im Vampir-Club einiges mitbekommen. Und Taras hochgewachsene Begleiterin war ebenfalls irgendeine Art Supra. Tara wusste Bescheid über die geheime Welt.
    Nein, wusste sie nicht, wie sich dann herausstellte.
    Ihr Gedächtnis war gelöscht worden. Oder wenigstens tat sie so.
    »Was?«, fragte Tara, fast übertrieben verwirrt. »Werwölfe? In diesem Nachtclub? Ich erinnere mich, dich dort gesehen zu haben. Aber sag mal, Schatz, hattest du nicht ein bisschen zu viel getrunken und bist schließlich umgekippt oder so was?«
    Da ich nur sehr in Maßen trinke, ärgerte ich mich ziemlich über die Frage. Aber es war gut möglich, dass genau diese reichlich unspektakuläre Erklärung von Franklin Mott in Taras Kopf eingepflanzt worden war. Ich war so enttäuscht, weil ich mich ihr nicht anvertrauen konnte, dass ich die Augen schloss, um ihre verständnislose Miene nicht ansehen zu müssen. Einzelne Tränen zogen eine Spur meine Wangen hinunter. Ich hätte es einfach dabei belassen sollen, doch mit leiser, rauer Stimme sagte ich: »Nein, hatte ich nicht.«
    »Ach herrje, hat dir dein Begleiter was in den Drink getan?« Aufrichtig entsetzt drückte Tara mir die Hand. »Etwa Rohypnol? Aber Alcide war doch so ein netter Typ!«
    »Vergiss es«, sagte ich und versuchte, sanfter zu klingen. »Das hat doch eigentlich gar nichts mit Jason zu tun.«
    Immer noch bekümmert drückte Tara mir erneut die Hand.
    Und ganz plötzlich wurde mir klar, dass ich ihr kein Wort glaubte. Tara wusste, dass Vampire Erinnerungen streichen konnten, und sie tat so, als hätte Franklin Mott die ihren gelöscht.

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