Der Vampir der mich liebte
des Waldes.
Wir hörten Rufe aus allen Richtungen, als die anderen Suchteams sich meldeten und auf die alarmierenden Geräusche zurannten.
Mein Fuß verhedderte sich im Gestrüpp, und ich schlug Hals über Kopf hin. Obwohl ich gleich wieder auf die Beine kam und weiterrannte, hatte Jimmy Fullenwilder mich überholt. Und als ich zwischen ein paar niedrigen Kiefern, keine höher als ein Briefkastenpfosten, hindurchlief, hörte ich einen Gewehrschuss.
O mein Gott, dachte ich. O mein Gott .
Die kleine Lichtung war voll Blut und Tumult. Ein großes Tier lag wild strampelnd in den abgestorbenen Blättern und sprühte rote Tropfen auf alles in seiner Nähe. Aber es war kein Panther. Zum zweiten Mal in meinem Leben sah ich ein Razorback-Wildschwein, dieses gefährliche Tier, das eine so enorme Größe erreicht.
Bis ich begriff, was ich da eigentlich vor mir hatte, war die Wildsau bereits zusammengebrochen und tot. Sie stank nach Schwein und nach Blut. Ein Krachen und Quieken im Unterholz um uns herum ließ darauf schließen, dass sie nicht allein gewesen war, als Crystal auf sie traf.
Doch nicht alles Blut stammte von der Sau.
Crystal Norris fluchte wild. Sie saß gegen eine alte Eiche gelehnt und hielt mit den Händen ihren aufgeschlitzten linken Oberschenkel umklammert. Ihre Jeans waren nass von ihrem eigenen Blut, und ihr Onkel und ihr - keine Ahnung, welches Verhältnis zwischen Felton und Crystal bestand, aber bestimmt gab's irgendeins - Verwandter beugten sich über sie. Jimmy Fullenwilder stand immer noch mit dem Gewehr im Anschlag da, den Lauf auf das Tier gerichtet, und hatte einen Ausdruck im Gesicht, den ich nur als verstört beschreiben kann.
»Wie geht es ihr?«, fragte ich die beiden Männer, doch nur Calvin sah auf. Seine Augen hatten sich eigenartig verändert, sie waren irgendwie gelber und runder. Er warf einen unmissverständlichen Blick auf den Tierkadaver, einen Blick schieren Verlangens. Um seinen Mund herum war Blut. Auf seinem Handrücken sah ich Fell, das gelblich braun schimmerte. Als Werwolf musste er ziemlich merkwürdig aussehen. Wortlos deutete ich auf diesen Beweis seiner zweiten Natur, und er erzitterte vor Sehnsucht, als er bestätigend nickte. Ich zog ein Taschentuch aus meiner Manteltasche, spuckte darauf und wischte sein Gesicht ab, ehe sich Jimmy Fullenwilder aus der Faszination seines Jagderfolgs lösen und seine seltsamen Begleiter in Augenschein nehmen konnte. Als Calvins Mund nicht mehr befleckt war, band ich das Taschentuch um seine Hand und verdeckte so die Stelle mit dem Fell.
Felton schien ganz normal zu sein, bis ich sah, was sich am Ende seiner Arme befand. Das waren keine Hände mehr ... aber auch keine Wolfspfoten, sondern etwas höchst Sonderbares, etwas Großes und Flaches mit Krallen.
Ich konnte die Gedanken der Männer nicht lesen, aber ich spürte ihr starkes Verlangen, und das hatte vor allem mit rohem rotem Fleisch zu tun. Felton bewegte sich sogar ein-, zweimal vor und zurück, geschüttelt von der Kraft seiner Gier. Ihr stummer innerer Kampf war schmerzhaft und nur schwer zu ertragen, selbst für den Beobachter. Ich fühlte es, als die beiden Männer begannen, ihren Hirnen menschliche Gedankenmuster aufzuzwingen. Nach wenigen Sekunden schon gelang es Calvin, zu sprechen.
»Sie verliert sehr schnell Blut, aber wenn wir sie ins Krankenhaus bringen, übersteht sie es.« Seine Stimme war undeutlich, und das Sprechen strengte ihn sichtlich an. Felton hielt den Blick immer noch gesenkt und begann unbeholfen sein Flanellhemd zu zerreißen. Mit seinen ungestalten Händen gelang ihm das nicht, daher übernahm ich diese Aufgabe. Als Crystals Wunde so fest verbunden war, wie ein improvisierter Verband es zuließ, hoben die beiden Männer die jetzt bleiche und stille Crystal hoch und trugen sie schnellstens aus dem Wald. Feltons Hände waren dabei den Blicken verborgen, Gott sei Dank.
All das ging so rasant vonstatten, dass die auf der Lichtung zusammengelaufenen anderen Suchteams eben erst begriffen, was passiert war.
»Ich habe eine Wildsau erschossen«, sagte Jimmy Fullenwilder und schüttelte fassungslos den Kopf, als Kevin und Kenya aus östlicher Richtung auf die Lichtung stürmten. »Das ist nicht zu glauben. Sie hat das Mädchen angegriffen, und die anderen Säue und Ferkel sind davongestoben, und dann waren die zwei Männer bei der Sau, und dann gingen sie endlich aus dem Weg, und ich habe dem Tier in den Hals geschossen.« Er wusste nicht, ob er ein Held
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