Der Vampir der mich liebte
war oder ob er Schwierigkeiten mit dem Amt für Naturschutz zu befürchten hatte. Was ihm wirklich gedroht hatte, würde er nie ahnen. Die Gefahr für Crystal hatte in Felton und Calvin die eigenen Jagdinstinkte erregt, und beinahe hätten sie eine volle Gestaltwandlung vollzogen. Dass sie fähig waren, sich von dem Wildschwein zurückzuziehen anstatt sich vollständig zu verwandeln, zeigte, wie stark sie waren. Dass sie nicht fähig waren, die beginnende Verwandlung gänzlich zu unterdrücken, schien zu belegen, dass die Trennlinie ihrer zwei Naturen bei einigen Einwohnern von Hotshot anscheinend immer unschärfer wurde.
An der Wildsau fanden sich sogar Bisswunden. Ich war derart von Sorgen überwältigt, dass ich meine Schutzbarriere nicht aufrechterhalten konnte und sich die ungefilterte Aufregung aller Leute in meinen Kopf ergoss - all ihre Abscheu, Angst, Panik über das viele Blut, das Wissen um die schwere Verwundung einer Mitsucherin und der Neid der anderen Jäger wegen Jimmy Fullenwilders Coup. Das alles war zu viel, und mehr als ich je etwas gewünscht hatte, wünschte ich mich von dort fort.
»Gehen wir. Das ist das Ende der Suche, wenigstens für heute«, sagte Sam, der neben mir stand. Sehr langsam gingen wir zusammen aus dem Wald hinaus. Ich erzählte Maxine, was passiert war, und nachdem ich ihr für all ihre Bemühungen gedankt und ein paar Krapfen angenommen hatte, fuhr ich nach Hause. Sam folgte mir. Als wir dort ankamen, war ich schon wieder ein bisschen mehr ich selbst.
Ich schloss die Hintertür auf und fand den Gedanken plötzlich ziemlich merkwürdig, dass noch jemand anderes im Haus war. Nahm Eric meine Schritte auf dem Fußboden über seinem Kopf auf irgendeiner Ebene wahr - oder war er auf dieselbe Weise tot wie ein ganz normaler toter Mensch? Doch diese Fragen strömten nur durch meinen Kopf und gleich wieder hinaus, weil ich einfach viel zu mitgenommen war, um lange darüber nachzudenken.
Sam fing an, Kaffee zu kochen. Er fühlte sich in meiner Küche ganz zu Hause, da er früher, als meine Großmutter noch lebte, hin und wieder vorbeigekommen war und mich auch sonst mal besuchte.
Ich hängte unsere Mäntel auf und sagte: »Das war die reine Katastrophe.«
Sam widersprach nicht.
»Wir haben nicht nur Jason nicht gefunden, was ich eigentlich auch nicht erwartet hatte, sondern die beiden Typen aus Hotshot wären beinahe aufgeflogen und Crystal ist verletzt. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, wieso die überhaupt da aufkreuzen mussten.« Ich weiß schon, das auszusprechen war nicht sonderlich nett von mir. Aber außer Sam hörte es ja keiner, und er kannte meine schlechten Seiten zur Genüge und machte sich da nichts vor.
»Ich habe mit ihnen geredet, bevor du kamst. Calvin wollte zeigen, dass er ernsthaft um dich wirbt, wie sie das in Hotshot eben so machen«, sagte Sam in ruhigem gleichmäßigen Ton. »Feiton ist ihr bester Spurenleser, deswegen hat er ihn überredet, mitzukommen. Und Crystal wollte einfach bloß Jason finden.«
Sofort schämte ich mich. »Tut mir leid«, sagte ich und ließ mich auf einen Stuhl fallen. »Tut mir leid.«
Sam kniete sich vor mich hin und legte seine Hände auf meine Knie. »Du hast wirklich jedes Recht auf miserable Laune.«
Ich beugte mich über ihn und küsste ihn auf den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde«, sagte ich ohne irgendeinen Hintergedanken.
Er sah zu mir hinauf, und für einen langen, seltsamen Moment schien das Licht im Raum zu tanzen und zu zittern. »Du würdest Arlene anrufen«, sagte er lächelnd. »Sie würde mit den Kindern hierher kommen, Schnaps in deinen Kaffee gießen, dir von Tacks Knick im Schwanz erzählen und dich damit zum Lachen bringen, so dass es dir gleich besser ginge.«
Ich war ihm dankbar, dass er den Moment hatte verstreichen lassen. »Also, da werde ich ja glatt neugierig, bei dieser Sache mit Tack. Aber das fällt wahrscheinlich in die Kategorie >zu intime Details<, oder?«
»Das dachte ich auch. Hat mich aber nicht davon abgehalten, zuzuhören, als sie es Charlsie Tooten erzählte.«
Ich goss uns beiden eine Tasse Kaffee ein, stellte die halb leere Zuckerdose in Sams Reichweite und legte einen Löffel dazu. Um zu sehen, wie viel Zucker ich noch hatte, blickte ich zur Küchenanrichte mit den Vorratsgläsern hinüber und bemerkte dabei, dass das Licht meines Anrufbeantworters blinkte. Ich musste nur aufstehen, einen einzigen Schritt tun und den Knopf drücken. Die Nachricht war um
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