Der Vampir der mich liebte
wollte. Ihre Jacke passte zum Hut. Wie auch ihre Handschuhe. Doch von der Taille abwärts war Tara gerüstet für den Wald. Jasons Freund Dago starrte Tara mit dem überwältigten Blick des frisch Verknallten an. Holly und Danielle waren auch gekommen, und die Suchaktion bekam eine ganz unerwartet freundschaftliche Note.
Maxine Fortenberry und zwei weitere Frauen aus ihrem Kirchenkreis hatten die Ladeklappe des alten Pick-up von Maxines Ehemann heruntergelassen, und dort standen mehrere Thermoskannen mit Kaffee neben Wegwerfbechern, Plastiklöffeln und Zucker. Sechs Dutzend noch warme Krapfen stapelten sich in von innen beschlagenen länglichen Zellophanhüllen. Ein großer Plastikmülleimer, ausgeschlagen mit einem schwarzen Müllbeutel, stand auch schon bereit. Diese Damen wussten, wie man eine Party für eine Suchaktion schmiss.
Ich konnte gar nicht fassen, dass all dies innerhalb weniger Stunden organisiert worden war. Jetzt musste ich doch Sams Hand loslassen und ein Taschentuch aus der Manteltasche ziehen, um mir die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Dass Arlene kommen würde, hätte ich noch erwartet, aber die Anwesenheit von Holly und Danielle war einfach verblüffend. Und Taras Teilnahme fand ich sogar noch überraschender, sie war nun wirklich kein Wald-und-Wiesen-Mädel. Kevin Pryor hatte eigentlich nicht viel für Jason übrig, aber da stand er, mit Landkarte, Schreibblock und Stift, und organisierte das Ganze.
Als ich Hollys Blick auffing, lächelte sie mich traurig an, auf diese betrübt verhaltene Art, die ich sonst nur von Beerdigungen kannte.
In dem Moment hämmerte Kevin mit dem Deckel des Plastikmülleimers gegen die Ladeklappe des Pick-up, und als aller Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet war, gab er Anweisungen für die Suche. Ich hatte gar nicht gewusst, dass er so bestimmt auftreten konnte; meistens zogen Kevins dominante Mutter Jeneen oder seine überdimensionierte Kollegin Kenya alle Aufmerksamkeit auf sich. Kenya würde sich nie an der Suche im Wald beteiligen, dachte ich bei mir und entdeckte sie im selben Augenblick. Winterfest und praktisch gekleidet, lehnte sie am Pick-up der Fortenberrys, das dunkle Gesicht absolut ausdruckslos. Ihre ganze Haltung ließ erkennen, dass sie zu Kevins Unterstützung da war - und nur handeln oder sprechen würde, wenn er irgendeinem Angriff ausgesetzt wäre. Kenya wusste, wie man eine bedrohliche Atmosphäre erzeugte; das musste ich ihr zugestehen. Sie würde jederzeit einen Eimer Wasser auf Jason schütten, wenn er in Flammen stand; aber ihre Gefühle für meinen Bruder waren sicher nicht sonderlich positiv. Sie war hier, weil Kevin sich freiwillig zur Verfügung gestellt hatte. Während Kevin die Leute in Teams einteilte, wanderten ihre dunklen Augen nur von ihm weg, um die Gesichter der Leute zu studieren, meins eingeschlossen. Sie nickte mir fast unmerklich zu, und ich nickte zurück.
»Jede Fünfergruppe muss einen Mann mit Gewehr dabeihaben«, rief Kevin. »Und zwar nicht einfach irgendwen. Das muss jemand sein, der da draußen im Wald bereits auf der Jagd gewesen ist.« Die Aufregung erreichte einen Siedepunkt bei dieser Anweisung. Doch danach hörte ich Kevins Instruktionen nicht weiter zu. Ich war noch immer erschöpft vom Tag zuvor, diesem ungewöhnlich vollgepackten Tag. Die ganze Zeit hatte im Hinterkopf die Angst um meinen Bruder an mir genagt und gefressen. Ich hatte wenig geschlafen, stand jetzt übernächtigt hier in der Kälte vor dem Zuhause meiner Kindheit und wartete darauf, an einer völlig sinnlosen Suchaktion teilzunehmen - zumindest hoffte ich, dass sie sinnlos war. Ich war zu benommen, um noch einen klaren Gedanken zu fassen. Ein eisiger Wind fegte über die Lichtung rund um das Haus, und die Tränen auf meinen Wangen wurden unerträglich kalt.
Sam schloss mich in die Arme, obwohl das in unseren dicken Mänteln ziemlich schwierig war. Mir schien, als spürte ich seine Wärme sogar durch all den Stoff hindurch.
»Wir werden ihn da draußen nicht finden, das weißt du doch«, flüsterte er mir zu.
»Bestimmt nicht«, sagte ich, klang aber alles andere als sicher.
»Ich wittere ihn, falls er da draußen sein sollte«, versicherte Sam mir.
Gestaltwandler waren ja so praktisch.
Ich sah zu ihm hinauf. Na ja, so weit hinauf nun auch wieder nicht, denn Sam war kein besonders großer Mann. Im Augenblick zeigte sein Gesicht eine sehr ernste Miene. Ich wusste, dass er fest entschlossen war, meine Ängste zu zerstreuen. In seiner
Weitere Kostenlose Bücher