Der Vampirprinz: Royal House of Shadows (German Edition)
ihnen erstreckten sich die Balkone der königlichen Schlafgemächer, wie gemacht für Zuschauer.
Ein dunkelhaariger Junge hockte auf der Brüstung des Balkons rechts von Nicolai, drehte einen Dolch in seiner Hand und sah ihnen zu. Nicolai wollte seine Brust vorstrecken und darauf trommeln. Er würde seinen jüngeren Bruder gleich auf alle möglichen Arten beeindrucken. Er würde mit tödlicher Sicherheit zustechen, mit mörderischer Kraft und, wenn er sich gut konzentrierte, mit zwei Schwertern auf einmal.
„Nicolai“, sagte der Mann vor ihm ungeduldig. „Hörst du mir zu?“
„Natürlich nicht. Sonst hätte ich gehört, was du gesagt hast, und du würdest es nicht gleich wiederholen.“
Dayn lachte leise.
Vater war nicht amüsiert, und er belohnte Nicolai nicht für seine Ehrlichkeit. „Ich habe Verhandlungen, an denen ich teilnehmen muss, mein Sohn. Verhandlungen in einem anderen Königreich, was bedeutet, du hast die Verantwortung, während ich fort bin. Ich muss wissen, dass du dich und die, für die du verantwortlich bist, verteidigen kannst. Pass auf. Sofort.“
„Ja, Sir.“ Er konzentrierte sich auf das, was vor ihm geschah, und wog das Metall in seinen Händen. „Warum müssen wir immer wieder üben? Ich bin gut.“
„Du bist gut, aber du musst ausgezeichnet werden. Letztes Mal habe ich dich so schlimm verletzen können, dass du eine Narbe bekommen hast!“ In den Worten seines Vaters lag ein scharfer Vorwurf. „Du musst lernen, mit all deinen Waffen zu arbeiten, zu jeder Zeit, Tag und Nacht. Du musst mit einer Hand arbeiten, mit beiden, im Stehen, im Sitzen oder verletzt. Ohne dich ablenken zu lassen.“
Nicolai hob sein Kinn. „Warum kann ich meinen Gegner nicht einfach mit meinen Fangzähnen umbringen?“ Das hatte er schon getan. Viele Male. Bis die Vorhersage seiner Mutter eingetreten war und er ein ganzes Dorf hingerichtet hatte, weil ein einziger Mann dort seine Frau schlug.
Da hatte er endlich seine Gefühle zu kontrollieren gelernt und seitdem nicht mehr die Beherrschung verloren. Das bedeutete allerdings nicht, dass seine Fangzähne nutzlos waren.
„Und wenn man dir die Fangzähne aus dem Mund reißt?“, wollte sein Vater wissen.
„Niemand wäre je so dumm, meinen Zähnen zu nahe zu kommen. Mutter sagt, ich bin der mächtigste Vampir auf der Welt. Ich kann im Licht stehen, und ich kann jedem die Macht stehlen, wenn ich will.“
„Nein, sie sagt, du wirst einmal der Mächtigste sein.“ Die Miene seines Vaters verhärtete sich. „Du bist ein Prinz, Nicolai. Der Kronprinz. Viele Bewohner dieser Welt und der anderen begehren dein direktes Anrecht auf meinen Thron. Viele werden versuchen, dich zu verletzen, nur um mich dadurch zu verletzen. Du musst wissen, wie du dich verteidigen kannst, jederzeit und in jeder Situation.“
Nicolai sah sich sein Schwert noch einmal genau an. Lang, schmal und auf Hochglanz poliert. Er war noch nicht an das Gewicht gewöhnt, und auch nicht an die Breite des Griffes. „Na gut. Ich übe noch weiter, aber warum bringst du nicht auch Dayn etwas bei?“
„So viele Fragen.“ Sein Vater seufzte.
„Warum muss er zusehen? Er ist auch ein Prinz, weißt du.“ Und er war so begierig darauf, zu lernen. Jeden Tag, nachdem Nicolai seine Lektion erhalten hatte, bettelte Dayn darum, dass er ihm auch etwas beibrachte. Nicolai konnte ihm nie widerstehen.
Er liebte seinen Bruder und würde für ihn sterben. Für einen Jungen, der von den meisten Palastbewohnern gefürchtet wurde. Dayn verstand sich gut mit den Tieren, die über das Gelände streiften, und lieber rannte er mit ihnen, statt sich mit der eigenen Art abzugeben.
Nicolai verstand die Bedürfnisse seines Bruders. Manchmal fühlte auch er seine animalische Seite, besonders wenn sein Temperament mit ihm durchging, er die Kontrolle verlor und nur noch den Drang spürte, zu zerstören und anderen zu schaden.
„Seine Zeit wird kommen“, sagte der König. „Schon bald.“
„Aber für die neue Prinzessin nicht, richtig? Sie wird immer zu zart sein.“ Er verzog das Gesicht.
„Breena ist gerade erst geboren worden, und sie ist keine Bluttrinkerin wie du und Dayn. Sie ist eine Hexe, wie eure Mutter. Du und Dayn müsst sie immer beschützen. Und im Gegenzug wird sie eure Männer nach der Schlacht heilen, wie eure Mutter es einst getan hat.“
Nicolai sah beschämt auf seine schmutzigen Stiefel hinab. Er war der Grund dafür, dass seine Mutter die Wunden anderer nicht mehr heilen konnte. Er
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