Der Vampyr
deren Licht ihm unangenehm grell erschien, sodass er im ersten Moment kaum etwas sehen konnte. Immerhin erkannte er, das seine Einschätzung richtig gewesen war: Er befand sich in einem niedrigen Gewölbekeller, dessen Wände aus nur grob behauenem Felsgestein bestanden. Auf dem Boden lag übelriechendes Stroh und hoch unter der Decke gab es ein schmales Fenster, hinter dem aber kein Tageslicht zu sehen war. Abgesehen von ihm selbst befanden sich noch drei weitere Männer hier unten; zwei der zehn Soldaten, die die türkische Patrouille überfallen hatten, und der Drachenritter. Er stand in einigen, Abstand da und starrte ihn durch die Sehschlitze seiner unheimlichen Maske durchdringend an. Andrej hörte ein gedämpftes Stöhnen, drehte den Kopf nach links und sah, das das Kellerverlies Kroch einen weiteren Bewohner hatte: Abu Dun war neben ihm an die Wand gekettet. Er bot einen schrecklichen Anblick. In sich zu-sammengesunken wurde er nur noch von den eisernen Ringen um seine Handgelenke gehalten. Er war kaum noch bei Bewusstsein, und sein Gesicht zeigte, das man ihn schwer geschlagen hatte.
»Es ist gut.« Der Drachenritter machte eine befehlende Geste und die beiden Männer verließen hastig den Keller. Andrej kam es vor, als flüchteten sie aus der Nähe ihres Herrn. Der Drachenritter kam mit langsamen Schritten näher. Statt des Morgensterns trug er ein Schwert mit einer gezahnten Klinge im Gürtel, eine Waffe, die zum Verletzen und Verstümmeln gemacht zu sein schien. Im flackern-den, roten Licht der Fackel sah seine Rüstung nun wirklich aus, als wäre sie in Blut getaucht worden. Einen Momentlang sah der Ritter Andrej an, dann schlenderte er fast gemächlich zu Abu Dun hin, legte die Hand unter sein Kinn und hob seinen Kopf an. Abu Dun stöhnte und versuchte die Augen zu offnen, aber seine Lider waren zugeschwollen. Der Ritter ließ sein Kinn los, kam auf Andrej zu und hob abermals die Hand. Andrej ahnte, was kommen würde, aber er versuchte nicht, sich zu wehren oder auch nur den Kopf zu drehen. Es wäre ohnehin zwecklos gewesen, und er wollte dem Drachenritter nicht die Genugtuung gönnen, ihn in Angst versetzt zu haben. langsam drehte der Ritter die Hand. Andrej biss die Zäh-ne zusammen, als einer der rasiermesserschar- Dornen auf dem Rü-
cken seines Handschuhs seine Wange aufriss. Warmes Blut lief über sein Gesicht. Der Ritter zog die Hand zurück, wartete einen Moment und wischte dann das Blut von seiner Wange. Die Augen hinter den schmalen Sehschlitzen weiteten sich.
»Tatsächlich, sagte er.
»Ich habe mich nicht getauscht, Er schwieg einen Moment, dann ging er wieder zu Abu Dun hin und ritzte auch seine Wange. Der Pirat stöhnte vor Schmerzen, hatte aber wohl nicht einmal die Kraft, den Kopf zur Seite zu drehen.
»Nein«, sagte der Drachenritter.
»Bei ihm funktioniert es nicht«
»Warum tust du das?«, fragte Andrej, Macht es dir Spaß, Menschen zu quälen?«
»Ja«, antwortete der Ritter.
»Das größte Vergnügen überhaupt. Obwohl ich nicht sicher bin, ob ihr überhaupt Menschen seid.« Er kam wieder näher.
»Bei diesem Mohr natürlich schon, aber bei dir? Was bist du?«
»Mach mich los und gib mir eine Waffe, dann zeige ich es dir«, knurrte Andrej.
»Oder mach mich einfach nur los. Das würde schon reichen.« Der Ritter lachte.
»Das werde ich nicht tun. Aber ich gebe dir mein Wort, das ich nicht versuchen s, erde, dich daran zu hindern, dich aus eigener Kraft zu befreien. Hast du schon einmal einen Fuchs gesehen, der in eine Falle gegangen ist? Manchmal beißen sie sich selbst die Pfo-te ab, um sich zu befreien. Ich frage mich, ob du das auch könntest.
Und ob deine Hand vielleicht nachwachsen würde.«
»Du bist tatsächlich ein außergewöhnlich tapferer Mann«, höhnte Andrej.
»Es gehört schon eine Menge Mut dazu, einen Mann zu verspotten, der hilflos an die Wand gekettet ist.«
»Ich bin tapfer«, antwortete der Drachenritter ruhig.
»Aber nicht dumm. Welche Chance hätte ich schon gegen einen Mann, der nicht verletzt werden kann?« Andrej lachte, obwohl ihm ganz und gar nicht danach zumute war.
»Willst du mich foltern? Das hätte wenig Zweck.«
»Oh, ganz im Gegenteil«, antwortete der Drachenritter lachend.
»Es würde vieles für mich vereinfachen. Dieses Bauernpack hält nicht viel aus. Ich brauche ständig neues Material und in Zeiten wie diesen ist es manchmal nichtleicht, ausreichend Nachschub zu bekommen. Du würdest dieses Problem für eine ganze Weile
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