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Der Vampyr

Titel: Der Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geschlagen. Wir fühlten uns so stark. Aber wir rechneten nicht mit der Bosheit dieses … Teufels.«
    »Tepesch.«
    »Dracul, ja.« Vlad spie den Namen regelrecht hervor.
    »Wir wurden gefangen genommen. Alle. Männer, Frauen, Kinder, Alte, Kranke - alle ohne Ausnahme. Dracul ließ drei von uns bei lebendigem Leibe rösten. Sie wurden in Stücke geschnitten und wir mussten ihr Fleisch essen.« Andrej blieb stehen und starrte den Mann mit aufgerissenen Augen an.
    »Was?« Vlad nickte.
    »Wer sich weigerte, dem wurden die Augen ausgestochen und die Zunge herausgeschnitten«, sagte er.

    »Die anderen hatten die Wahl, unter Tepeschs Fahne gegen die Türken zu kämpfen oder ebenfalls zu sterben. Die meisten entschieden sich für den Kampf.«
    »Du hast …?«
    »Ich habe das Fleisch meines Bruders gegessen, ja«, unterbrach ihn Vlad. Seine Stimme bebte.
    »Du brauchst mich dafür nicht zu hassen, Andrej. Das tue ich schon selbst, in jedem Augenblick, der seither vergangen ist. Aber ich wollte leben. Vielleicht bin ich der Einzige, der sein Ziel erreicht hat. Fast alle anderen fanden den Tod im Kampf oder wurden von Dracul umgebracht.«
    »Dieses Ungeheuer«, murmelte Andrej erschüttert.
    »Warum erzählst du mir das alles? Du musst dich nicht rechtferti-gen. Ich weiß, was es heißt, zu etwas gezwungen zu werden.« Vlad antwortete nicht. Er drehte sich mit einem Ruck um und ging weiter, und er achtete nicht einmal darauf, ob Andrej ihm folgte oder nicht. Andrej blieb auch tatsächlich einen Moment stehen, folgte ihm dann aber. Er war nicht nur schockiert von dem, was er gehört hatte, er war auch vollkommen verwirrt und fragte sich, warum Vlad ihm diese Geschichte erzählt hatte. Sicher nicht nur, um sein Gewissen zu erleichtern. Sie gingen noch eine ganze Weile weiter, dann hatten sie die Stadt hinter sich gelassen. Da wurden sie einer unheimlichen Szenerie gewahr. Andrej blieb mit einem Gefühl voll-kommenen Entsetzens stehen. Er hatte geglaubt, das Vlads Geschichte das Schlimmste sei, was ein Mensch an Grausamkeiten ersinnen konnte, aber das stimmte nicht. Andrej weigerte sich zu glauben, was er sah. Vor ihnen waren drei gut vier Meter hohe, armdicke Pfähle aufgestellt worden, die lotrecht in den Himmel ragten. Auf jeden dieser Pfähle war ein nackter Mensch aufgespießt; zwei Männer und eine Frau.
    »Großer Gott«, flüsterte Andrej. Vlad ergriff ihn am Arm und zerrte ihn so grob mit sich, das er ins Stolpern geriet. Andrejs Entsetzen wuchs mit jedem Moment. Sein Magen revoltierte und er verspürte ein unsägliches Grauen, das nicht nur Übelkeit, sondern ganz konkreten körperlichen Schmerz in ihm auslöste. Die bedau-ernswerten Opfer dieser Gräueltat waren nicht aufgespießt worden wie Schmetterlinge auf die Nadel eines Sammlers. Die armdicken Pfähle waren zwischen ihren Beinen in ihre Leiber gerammt worden, hatten ihren Weg hinauf durch ihre Körper gesucht und waren in der Halsbeuge wieder hervorgetreten, was ihre Köpfe in eine ab-surde Schräghaltung zwang. Noch während Andrej glaubte, nun-mehr die absolute Grenze dessen erreicht zu haben, was ein Mensch an Grauen überhaupt ertragen konnte, sah er sich abermals getäuscht. Einer der Männer … lebte noch! Seine Augen waren ge-
    öffnet. Pein, nichts anderes als unvorstellbare Pein, stand in sein Gesicht geschrieben.

    »Drei Tage«, sagte Vlad leise.
    »Sein Rekord liegt bisher bei drei Tagen, die ein Opfer überlebt hat.«
    »Tepesch?«, murmelte Andrej. Vlad machte ein sonderbares Ge-räusch.
    »Wusstest du nicht, das man ihn den Pfähler nennt?«
    »Nein«, antwortete Andrej. Und hätte er es gewusst, so hätte er sich nichts darunter vorstellen können. Er hatte von Grausamkeiten ge-hört, die Menschen einander antaten. Er hatte mehr davon gesehen, als er je gewollt hatte, aber so etwas hätte er sich bis zu diesem Moment nicht einmal vorstellen können.
    »Warum … zeigst du mir das?«, würgte er mühsam hervor. Statt gleich zu antworten zog Vlad einen Dolch aus dem Gürtel, streckte den Arm in die Höhe und befreite die gepeinigte Kreatur mit einem schnellen Stoß von ihrer Qual. Er wischte die Klinge im Gras ab und steckte sie zurück, ehe er sich zu Andrej herumdrehte.
    »Damit du weißt, mit wem du es zu tun hast«, sagte er.
    »Nur falls du geglaubt haben solltest, das dieser Mann auch nur noch einen Funken Menschlichkeit in sich haben könnte.« Andrej machte sich von dem entsetzlichen Anblick los (warum übte das Grauen nur eine solche

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