Der Vampyr
hüllte ihn ein wie etwas Schweres, Greifbares, etwas, das ihn in einen Abgrund reißen und verzehren wollte. Und in ihm, tief, unendlich tief in ihm, war noch immer diese fürchterliche Gier, etwas, vor dem er entsetzliche Angst und noch größeren Abscheu empfand und das doch zu ihm gehörte. Tepesch stand auf und entfernte sich ein paar Schritte. Andrej hörte ein Scharren, dann das Reißen von Stoff. Es verging eine geraume Weile, bis er sich aufsetzen und Tepesch ansehen konnte, ohne Gefahr zu laufen, sich sofort auf den Fürsten zu stürzen und ihm den Kehlkopf durchzureißen. Tepesch hatte sich auf einen Stuhl sinken lassen und ein paar Streifen aus seinem Hemd gerissen, um sich selbst einen notdürftigen Verband anzule-gen. Obwohl die Wunde nicht sehr tief war, war sie doch großflä-
chig und blutete stark, denn auch der Verband hatte sich bereits wieder dunkelrot gefärbt. Als er Andrejs Blick auf sich ruhen spür-te, drehte er sich zu ihm herum und lächelte dünn.
»Verzeiht meine Schwäche, Deläny«, sagte er spöttisch.
»Aber meine Wunden heilen nicht ganz so schnell wie Eure.« Andrej richtete sich mühsam auf, mußte sich aber sofort wieder gegen die Wand in seinem Rücken sinken lassen. Er fühlte sich matt und ausgelaugt, als hätte er den schwersten Kampf seines Lebens hinter sich. Vielleicht traf das ja auch zu..
»Warum?«, murmelte er schwach.
»Weil ich dich brauche, du Narr!«, antwortete Tepesch heftig.
»Und du mich!«
»Ich brauche dich nicht«, murmelte Andrej.
»Ich brauche nicht einmal dein Blut! « Tepesch lachte.
»Ich habe alles, was du willst«, sagte er.
»Den Jungen. Domenicus. Seine Schwester! Willst du Biehlers Kopf? Du kannst ihn haben.«
»So weit waren wir schon«, sagte Andrej müde.
»Und wir werden noch oft so weit sein, bis du begreifst, das wir einander brauchen!«, antwortete Tepesch.
»Ich habe alles, was du willst! Ich könnte dir drohen, aber das will ich nicht. Ich will, das du freiwillig zu mir kommst.«
»Warum? Um dich unsterblich zu machen? Damit du weitere hundert Jahre lang Menschen schinden kannst?«
»Das bräuchte ich nicht mehr, würde ich dein Geheimnis kennen«, antwortete Tepesch.
»Ist das alles, was du willst? Das der Pfähler aufhört zu pfählen? Du hast mein Wort. Reite an meiner Seite, Deläny, und es wird keine Pfähle mehr geben! Wozu brauche ich den Schmerz, wenn ich dich habe?«
»Und wozu?«
»Du hast es gesehen«, antwortete Tepesch.
»Du und ich, wir können dieses Land von der Geißel der türkischen Invasion befreien. Wir können die christlichen Heere gemeinsam anführen. Du hast mit eigenen Augen gesehen, wie wir die Heiden in die Fluch geschlagen haben.«
»Du kämpfst für das Christentum? Wer soll dir das glauben?«
»Es spielt keine Rolle, warum ich es tue«, sagte Tepesch zynisch.
»Und wenn ich weitere Menschen töte - was stört es dich? Wie viele kann ich töten, selbst in hundert f Jahren Fünftausend? Das ist nichts gegen die Opfer, die auch nur eine einzige Schlacht kostet.«
»Dann nimm die Verbündeten, die du schon hast«, sagte Andrej.
»Ich will sie nicht!«, sagte Tepesch mit unerwartetem Nachdruck.
»Du hältst mich für böse? Du kennst Domenicus nicht und dieses
… Ungeheuer, das an seiner Seite reitet. Selbst ich habe Angst vor ihnen.«
»Wie furchtbar«, sagte Andrej.
»Sie glauben mich zu brauchen«, fuhr Tepesch unbeeindruckt fort.
»Wenn das nicht mehr so ist, werden sie mich töten. Oder ich sie.«
»Und was wäre anders, wenn ich an deiner Seite reiten würde?« Tepesch starrte ihn eine Weile wortlos an, dann stand er mit einem so plötzlichen Ruck auf, das Andrej zusammenschrak.
»Du willst einen Vertrauensbeweis?«, fragte er.
»Also gut. Du wirst ihn bekommen. Morgen früh, bei Sonnenaufgang.«
15
Gegen jede Erwartung fand er in dieser Nacht nicht nur Schlaf, sondern erwachte auch mit einem Gefühl von Stärke und ohne die mindeste Erinnerung an einen Alptraum. Der Kampf, den er ausgefochten hatte, hatte ihn offenbar so erschöpft, das er dafür keine Kraft mehr übrig gehabt hatte. Ihm wurde ein Mahl gebracht, das eines Fürsten würdig gewesen wäre. Er verzehrte es bis auf den letzten Rest und wunderte sich dabei ein wenig über sich selbst; nicht nur über seinen Appetit, sondern auch über die fast unnatürliche Ruhe, die ihn erfüllte. Er sollte entsetzt sein; zumindest empört, aber er fühlte im Grunde gar nichts; allenfalls eine vage Trauer, wenn er an Maria
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