Der Vater des Attentäters (German Edition)
aß schnell, fast ohne Pause, und ging dann auf die Toilette und kotzte es alles wieder aus. Die Soße brannte mir in der Kehle und der Nase. Ich war ganz zittrig, als ich wieder am Tisch saß. Die Bedienung fragte, ob ich noch etwas wolle. Ich habe abgelehnt, und während sie die Rechnung holte, aß ich die drei Packungen Salzcracker, die ein anderer Gast auf dem Nebentisch hatte liegen lassen.
In Austin hatte ich mir klugerweise SEINE Adresse aus einem Stapel Briefe auf Walters Schreibtisch herausgesucht. Es war nicht weit von hier, und ich nahm einen Bus, der nur ein paar Straßen weiter eine Haltestelle hatte. In Helena gehen die Leute im Winter kaum zu Fuß. Als ich in der feinen Gegend, in der ER wohnt, aus dem Bus stieg, überlegte ich mir, was ich sagen sollte, falls mich die Polizei stoppte oder einer der Nachbarn neugierig wurde.
Ärger mit dem Wagen wäre eine gute Antwort. Oder vielleicht auch, dass ich am Abend mit einem Mädchen nach Hause gegangen war und jetzt zurück zu der Kneipe ging, um meinen Wagen zu holen. Das klang gut. Ich war schließlich ein ordentlicher junger Mann, der noch alle Zähne hatte, und die Haare, die ich mir vor ein paar Wochen selbst geschnitten hatte, waren gleichmäßig nachgewachsen (ich hatte hier und da nachgebessert). Ich würde die Polizisten anlächeln, als wollte ich ihnen sagen: ‹Sie wissen doch, wie das ist. Die Süße war heiß, wir haben was getrunken, und ich habe nicht weiter nachgedacht.› Und dann, mit einem Zwinkern: ‹Aber ich würde sagen, für eine Nacht im siebten Himmel ist es nicht zu viel bezahlt, wenn ich hier jetzt ein, zwei Kilometer durch die Kälte laufen muss.›
ER wohnt in der Xxxxx-Straße [Adresse durchgestrichen]. Ob es nun Zufall oder Schicksal war, jedenfalls kam gerade SEINE Frau Rachel zusammen mit den Kindern Neal und Nora aus dem Haus, als ich vorbeiging! Ein Bursche vom Secret Service brachte sie zu einem großen schwarzen SUV .
Rachel trug eine lange schwarze Jacke und Jeans, dazu eine Wollmütze. Neal hatte einen Rucksack auf dem Rücken und hielt eine Action-Figur in der Hand. Es war das Lachen eines kleines Mädchens gewesen, das meine Aufmerksamkeit auf das Haus gezogen hatte, als ich um die Ecke bog. Ich sah, wie Nora einen Schneeball machte und auf ihren Bruder warf, der sich duckte und selbst einen formte.
Rachel ermahnte die beiden, aber nur halbherzig. Sie waren noch zu weit weg, als dass ich ihre Worte hätte verstehen können, aber ihre Körpersprache verriet eine Menge.
Als ich näher kam, nahm mich der Agent vom Secret Service in den Blick. Ich sah, wie er die Bedrohung abschätzte, die von mir ausgehen mochte, und seine eigene instinktive Einschätzung mit einer bekannten Checkliste abglich (die ihnen wahrscheinlich bei der Ausbildung schon eingebimst worden war). In dem Moment wandte auch Rachel den Blick und sah mich. Ich hob die Hand und winkte.
Ich lächelte. Die Sonne auf meinem Gesicht war zwar nicht warm, aber doch wohltuend nach dem endlosen Grau der letzten Tage. Wie der reine, klare Ton einer Glocke wurde ihr Licht vom leuchtend weißen Schnee reflektiert. Mit kräftigen Schritten durch diese schöne Wohngegend zu laufen und meine Lunge mit der frischen, kalten Luft zu füllen, fühlte sich gut an. Ich kam mir endlich wieder normal und vollständig vor, als wären die Sonne, die Luft und der Boden unter meinen Füßen Dinge, die mir verloren gegangen waren.
Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden (wie soll man das Unbeschreibliche beschreiben?), aber sie, Rachel, zu sehen, dieser unglaubliche Zufall – zusammen mit der Wärme, der Luft und dem Licht der Sonne – machte mich einfach glücklich, und so hob ich die Hand und winkte, und Rachel lächelte und winkte zurück. Es war das Winken einer freundlichen Nachbarin.
So flüchtig das alles war, dieses kurze Winken verband uns, brachte uns zusammen, vereinte uns in einer Geste der Freundschaft.
Und dann kam hinter ihr plötzlich Senator Seagram aus dem Haus! Flankiert von zwei Leuten des Secret Service.
Zu viele Dinge geschahen in diesem Moment, um sie hier wiedergeben zu können. Ich war völlig überwältigt von SEINEM Auftauchen und mir gleichzeitig bewusst, dass ich nicht innehalten und einen Riss in meiner Tarnung zu erkennen geben durfte. Meiner Tarnung als freundlicher Nachbar.
Ich zwang mich, meine Hand zu senken und die Augen wieder auf die Straße zu richten. Ich dachte an die Pistole im Spülkasten meiner Toilette im Motel und
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