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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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eben nur neu in der Stadt und würde niemanden kennen.
    Der Guide hinter mir verkündete gerade, die Führung gehe weiter. Er hatte einen Bart wie ein Pirat, trug ein kariertes Hemd und eine Cowboykrawatte. Er war ein echter «Westerner», ohne einen Funken Ironie.
    Xxxxx sagte, sie müsse zurück an die Arbeit. Sie fügte noch hinzu: «Danke für den Besuch.» Ich bot ihr meine Hand an, aber sie hat so getan, als sähe sie es nicht, und ich schloss mich der Führung wieder an, knallrot und beschämt. Den Rest der Führung habe ich überlegt, wie ich es hätte besser anstellen können. Es war dumm, ihr gleich vorzuschlagen, wir könnten uns treffen. Xxxxx hätte eine gute Quelle sein können, jemand aus SEINEM Büro, der SEINEN Terminplan kennt.
    Auf dem Weg nach draußen sah ich mein Spiegelbild in der Glastür. Ich war unrasiert und seit drei Monaten nicht beim Friseur gewesen, und es machte auch keinen großen Unterschied, dass ich meinen neuen Mantel und die Stiefel trug, denn auch die sahen gammelig und billig aus. Alles in allem machte ich einen ziemlich schäbigen und (in meinen Augen) keineswegs vertrauenswürdigen Eindruck. Kein Wunder, dass sie nicht mit mir hatte gesehen werden wollen.
    Ich fuhr zurück zum Hotel und war wütend auf mich, dass ich mich so hatte verlottern lassen. In der Tankstelle neben dem Motel habe ich mir einen Rasierer und eine Schere gekauft und, zurück in meinem Zimmer, heiß geduscht, sehr heiß, meine Haut wurde unter dem Wasser puterrot. Ich habe ein Handtuch auf den Badezimmerboden gelegt und mir die Haare geschnitten, sehr darauf bedacht, dass sie an beiden Seiten gleichmäßig lang waren. Dann habe ich mir das Gesicht mit Seife eingeschäumt und mich rasiert. Ich kann es mir nicht erlauben, mich in Bezug auf mein Aussehen so gehen zu lassen. Wenn man so viel Zeit ganz allein verbringt, vergisst man, was für ein Bild man bietet, das öffentliche Gesicht, das die anderen sehen. Das Letzte, was ich will, ist, so ein Freak zu werden, ein Irrer mit Jesus-Frisur, vor dem die Leute auf die andere Straßenseite ausweichen.
     
    6. Dezember
    Ich kann mich nicht erinnern, mich je so einsam wie letzte Nacht gefühlt zu haben. Diese Woche hindert mich das Wetter regelrecht daran, mich frei durch die Stadt zu bewegen. Es hat so stark geschneit, dass ich mein Zimmer nur verlassen habe, um mir was zum Essen aus dem Automaten vorne bei der Rezeption zu holen. Ich fühle mich wie aufgebläht von all dem Junkfood und Fernsehen. Nach Sonnenuntergang habe ich mich aufs Bett gelegt, und mein Gesicht brannte von dem billigen Aftershave aus der Tankstelle. Ich habe versucht, mir die Gesichter der Menschen vor Augen zu rufen, die ich kenne.
    Etwas geht da mit mir vor. Aber was?
    Ich musste an das Büro denken, SEIN Büro mit der hohen Decke und den bunten Fenstern. Es sah dort aus wie in einer Kirche. So als wäre ER irgendwie mehr als ein gewöhnlicher Mensch. Ein Senator aus einem goldenen Staat. Ein Goldjunge aus einem Goldstaat.
    Gestern Abend habe ich Brezeln mit Erdnussbutter gegessen. Wie ein Klumpen lag ich im Licht des Fernsehers auf dem knubbeligen Bett. Meine Gedanken kamen mir zu groß vor für meinen Kopf.
    Warum bin ich hierhergekommen? Warum mache ich, was ich mache? Ein Mensch allein im Dunkeln, der nach und nach verschwindet, Stück für Stück …
    [Hier sind etliche Seiten aus dem Tagebuch herausgerissen worden.]
     
    15. Dezember
    Es war eine harte Woche. Auf den ersten Schneesturm folgte ein zweiter, und ich saß für etliche weitere Tage im Motel fest. Ich kann ernsthaft nicht mehr sagen, wie viele es waren. Am Donnerstag habe ich mir von dem Mann an der Rezeption eine Schaufel geliehen und mein Auto ausgegraben, aber als ich den Schlüssel im Zündschloss drehte, tat sich nichts. Der Anlasser war wie tot. Der Mann in der Werkstatt meinte, es sei die Batterie, und eine neue würde mich zweihundert Dollar kosten. Er lächelte, als er das sagte, als wäre es ein Festmahl und er hätte seit Tagen nichts gegessen.
    Sobald die Straßen frei waren, bin ich per Anhalter in die Stadt gefahren. Meine neuen Stiefel haben sich als nicht so wasserdicht erwiesen, wie ich gedacht hatte, und bis mittags taten mir die Zehen vom rechten Fuß höllisch weh.
    In einem Diner bestellte ich mir ein Chili con Carne, und als der Teller kam, wurde mir bewusst, dass ich seit fast zwei Wochen nicht mehr richtig gegessen hatte. Der Geruch des Fleisches und der Tomaten machte mich ganz schwindelig.
    Ich

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