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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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der Angst hat, dass die Gesellschaft ihn vergisst.»
    «Und als Seagram ermordet wird», sagte Murray, «und Danny die Pistole buchstäblich in den Schoß fällt, heimst er die Beachtung ein. Jetzt ist er jemand. Niemand wird je wieder Seagrams Namen nennen können, ohne seinen mit zu erwähnen.»
    Ich dachte darüber nach. War das möglich? Würde mein Sohn sein Leben für einen Platz in der Geschichte wegwerfen?
    «Es ist auch möglich», sagte Douglas, «dass er sich wegen etwas anderem schuldig fühlt und sich selbst bestrafen will.»
    «Zum Beispiel?», fragte Fran.
    «Wer weiß?», sagte Douglas. «Vielleicht hat er ja einem Mädchen das Herz gebrochen. Vielleicht hat er jemanden überfahren und Fahrerflucht begangen. Ich habe ein psychiatrisches Gutachten beantragt. Die Anklage ist zwar dagegen, aber in Fällen wie diesem sind psychiatrische Gutachten eigentlich Standard.»
    Fran saß neben mir und zerfetzte eine Serviette in kleine Stückchen. Sie sagte: «Wenn dieser Carlos Peña auf der Beobachtungsliste des Secret Service stand, wie ist er dann in den Saal hineingekommen?»
    «Wollen Sie die Verschwörungsversion?», fragte Murray.
    «Nein.»
    «Menschliches Versagen», sagte Douglas. «Die Besucherliste zeigt, dass Peña unter dem Namen Carlos Fuentes Einlass gewährt wurde. Er hatte einen gefälschten Ausweis. In den Raum passen achtzehnhundert Leute, und Seagram gehörte nicht zu den Politikern, die Peña bedroht hat. Er ist ihnen einfach durch die Maschen geschlüpft.»
    «Und der Secret Service behält es für sich», sagte ich, «weil es ihn in einem schlechten Licht dastehen lässt. Sie hatten den Mörder auf der Liste der auszuschließenden Personen und haben ihn trotzdem hereingelassen.»
    Douglas aß das letzte Stück Möhre. Er verschloss den Beutel, legte ihn zurück und schloss den Aktenkoffer. «Das sind hübsche Theorien», sagte er. «Aber die Tatsache bleibt, dass es Ihr Sohn war, der mit der Mordwaffe erwischt wurde.»
    Ich schüttelte den Kopf. «Wenn Sie laut EKG einen Herzinfarkt haben», sagte ich, «heißt das noch lange nicht, dass Sie herzkrank sind. Es gibt ein halbes Dutzend schwer zu erkennender Krankheiten, die fälschlicherweise als Herzkrankheit diagnostiziert werden. Ich sage, dass alle Symptome zusammenpassen müssen, nicht nur ein paar.»
    Ich nahm die Brille ab und rieb mir die Augen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich, wie Douglas und Fran mich anblickten. Ich kannte diese Blicke von Ärzten, die mit Angehörigen sprachen, welche nicht glauben wollten, dass ihr Bruder, ihre Schwester oder ihre Mutter tot waren. «Verweigerung», sagte ihr Blick. Sie dachten, dass ich mich der Wahrheit verweigerte.
    «Mein Sohn hat es nicht getan», sagte ich.
    Murray stand auf und warf einen Fünfzig-Dollar-Schein auf den Tisch. «Was halten Sie von einem Spaziergang?», fragte er mich.
    Ich überlegte kurz, dann schloss ich meinen Aktenkoffer. Als ich mich erhob, spürte ich meine Müdigkeit, meine Gelenke schmerzten, ich war ein alter Mann, der Vater eines diffamierten Sohnes. Würde das von jetzt an mein Leben sein? Würde ich zu einem streitsüchtigen Menschen werden, der die Lautstärke seiner Stimme nicht mehr unter Kontrolle hatte? Einem verrückten Verschwörungstheoretiker mit Kisten von Material, aus dem die Daten und Fakten nur so hervorsprudelten? Als könnten schon ein paar Zufälle die Existenz Gottes beweisen?
    Wir gingen schweigend durch die Hotelhalle.
    «Ich bin nicht verrückt», sagte ich.
    «Das habe ich nicht behauptet.»
    Vor dem Hotel gab Murray dem Portier sein Parkticket.
    «Danny hatte eben seine Probleme», sagte ich.
    «Probleme», sagte er und versuchte, unvoreingenommen zu klingen.
    «Probleme, ja. Keiner streitet das ab. Aber er ist kein Mörder. Dieser Mann, dieser Peña, der hat früher schon Leute bedroht.»
    «Und er hat gesessen», sagte Murray. «Wegen Körperverletzung.»
    «Mein Gott», sagte ich. «Sehen Sie es denn nicht? Das ist der letzte Hinweis, den wir brauchen. Warum nimmt der Secret Service den Mann nicht in die Mangel?»
    Murray schnalzte mit der Zunge. «Douglas hat Recht. Die Tatsache, dass Peña in Royce Hall war, beweist nicht, dass er Seagram erschossen hat.»
    Ich ballte die Fäuste. Die Welt schien sich in der falschen Richtung zu drehen. Mir war schwindelig, und ich hatte einen Moment lang das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Langsam, dachte ich. Durchdenke das alles in Ruhe. «Aber Gerichtsprozesse beschäftigen sich doch mit

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