Der Vater des Attentäters (German Edition)
Energie darauf verwenden müssen, dass sie nicht zu zappelig wurden.
An Bord der Maschine musste ich unwillkürlich an den Flug denken, den ich vor drei Monaten unternommen hatte, dieses nächtliche Rennen, um zu Daniel zu gelangen, bevor die Regierung ihn im dunklen Nirgendwo verschwinden ließ, wo er seitdem saß. Ich sah durch das runde Fenster und ließ den Blick über das geometrische Gitter des mittleren Westens unter uns gleiten. Monatelang war Danny mit dem Auto durch dieses leere Land gefahren. Ich dachte, wenn ich mich nur richtig konzentrierte, könnte ich vielleicht seine Spur dort unten entdecken, eine grüne Linie, die erst gelb, orangefarben und dann rot wurde. Aber so sehr ich mich auch anstrengte, ich sah nichts.
Wir checkten im Beverly Wilshire Hotel ein. Es war wolkenverhangen in L.A. und nieselte leicht. Die Kinder sprangen überdreht auf den Hotelbetten herum, während ich die Koffer auspackte und Fran ein Bad nahm, um sich vom Stress der Reise zu erholen. Ich hatte einen ganzen Aktenkoffer voller Unterlagen dabei: Ablaufpläne, die ich zusammengestellt hatte, Zeitungsausschnitte und DVDs mit dem Videomaterial von jenem Nachmittag. Ich hatte eine Liste mit Fragen verfasst, die ich beantwortet haben wollte, Strategien, denen Dannys Verteidigung meiner Meinung nach folgen sollte. Die Vorverhandlungen begannen am nächsten Tag, und ich wollte Dannys Verteidigern übergeben, was ich hatte.
Wie immer stiegen in Los Angeles Versagensgefühle in mir auf. Irgendwie schien es mir passend, dass der Ort, der für Danny der dramatische Wendepunkt seines Lebens wurde, der gleiche war, an dem sich seine Eltern kennengelernt hatten. Der Ort, an dem ich Ellen geheiratet und an dem unser langsames Abgleiten in Enttäuschung und Wut zu einer bitteren Scheidung geführt hatte, die Danny heimatlos machte, statt ihm ein doppeltes Zuhause zu bescheren, eines bei seiner Mutter und eines bei seinem Vater. Los Angeles war die Stadt, in die es ihn schließlich wieder gezogen hatte. Es war, als würde das Opfer wieder an den Ort des Verbrechens zurückkehren, das seine Eltern begangen hatten.
Der Kreis hatte sich geschlossen.
Zwei Stunden später ließen wir die Zwillinge in der Obhut des Kinderbetreuungsservices des Hotels zurück, um Dannys Anwalt auf einen Drink zu treffen. Murray saß bereits mit Calvin Douglas, Dannys Hauptverteidiger, in der Lounge des Hotel L’Ermitage. Douglas war Professor für Strafrecht in Stanford und hatte sein Leben lang die Verteidigung in Mordfällen übernommen. Er hatte dichtes graues, ungebärdiges Haar und zog einen Plastikbeutel voller kleingeschnittener Möhren aus seiner Aktentasche.
«Um es gleich vorweg zu sagen», begann er, «es gibt Beweismaterial, das mich die Bundesbehörden nicht sehen lassen.»
«Was für Beweismaterial?»
«Wie soll ich das wissen, wenn ich es nicht kenne?», sagte Douglas. Er öffnete den mit einem Druckverschluss versehenen Plastikbeutel und nahm ein Stück Möhre heraus. Er sah es an, bevor er hineinbiss.
«Ich habe einen Antrag auf Einsicht gestellt», sagte er. «Da die Regierung einzelne Elemente des Falls für streng geheim erklärt hat, wird es eine Überprüfung durch einen unabhängigen Richter geben, der bestimmt, was wir sehen dürfen.»
«Was sind das für Elemente?»
«Auch das kann ich nicht sicher sagen», antwortete Douglas, «aber die Zeugenliste kommt mir etwas dünn vor, und es fehlen Einzelheiten zu Seagrams Reiseplan. Darüber hinaus bekomme ich keine Antwort auf die Frage, ob es in der Gegend zur Zeit des Attentats terroristische Aktivitäten gegeben habe.»
«Das scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein», sagte Murray. «Welche ausländischen Zellen waren aktiv? Was für Informationen hatte das FBI ? Sollte der wirkliche Täter tatsächlich noch frei herumlaufen, wie sollen wir ihn dann ohne diese Informationen finden?»
Ich nahm einen Block und machte mir Notizen, die ich meinen Unterlagen hinzufügen, später noch einmal durchgehen und in das übrige Material einarbeiten würde.
«Danny sagt, Sie haben ihm empfohlen, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren», sagte Fran.
«Vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit.»
«Aber warum?», fragte ich. «Mein Sohn ist unschuldig.»
Douglas sah müde aus. «Ganz bestimmt», sagte er. «Aber seine Fingerabdrücke sind auf der Mordwaffe, und ein Typ mit einer Kamera hat ein Foto von ihm mit der Mordwaffe in der Hand gemacht, kurz bevor die Polizei ihn überwältigen
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