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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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ergänzen wollte.
    Die Frau sagte dem bärtigen Mann, den sie Jerry nannte, er solle sein verdammtes Sandwich zur Seite räumen, damit sie diesem jungen Mann helfen könne.
    Jerry nahm sein Essen und verschwand im Hinterzimmer.
    «Wir haben eine Neun-Millimeter im Angebot», sagte sie. «Eine Glock. Sie zahlen den vollen Preis, bekommen aber einen Rabatt, wenn Sie einen Coupon einschicken.»
    Er sah auf die in Reihen daliegenden Revolver, klein und kompakt oder mit langen Läufen. Glänzende Metallinstrumente mit harten Holzgriffen. Er dachte darüber nach, was er wollte. Er war nicht an Gewicht oder Größe interessiert. Er wollte keine Waffe, die etwas darstellte, einen 357er mit einem riesigen Lauf. Es ging ihm nicht um Draufgängertum, er suchte etwas mit einer Aura.
    Sein Blick wanderte über die Vitrine, die Formen und Linien der Trommeln und Abzugsbügel. Es waren harte Objekte, von Maschinen vorgefertigt und in Handarbeit vollendet. Diese Waffen da vor ihm existierten außerhalb der Automatisierung der modernen Technologie. Sie waren sture Technikfeinde, leicht zu erklären, zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen. Leicht zu säubern und zu ölen. Leicht zu laden. Leicht abzufeuern.
    «Könnte ich die mal sehen?», fragte er und zeigte auf eine halbautomatische Smith & Wesson. Sie war kompakt und mattschwarz.
    Die Frau schloss die Vitrine auf, nahm die Pistole von ihrem Ständer, breitete ein graues Stück Leder auf der Glastheke aus und legte sie vor ihn hin.
    «Ein kompaktes Kaliber vierzig», sagte sie. «Sehr zuverlässig. Gute Mannstoppwirkung. Mit einen Polymerrahmen und einem Lauf aus rostfreiem Stahl.»
    Er berührte sie mit den Fingerspitzen, schob den Daumen unter ihren Körper, und dann lag sie in seiner Hand. Sie fühlte sich leicht an, das Polymer war gerade rau genug, um der Waffe ein Gefühl von Griffigkeit zu verleihen.
    «Wie viel Schuss passen in den Ladestreifen?», fragte er.
    «Elf», sagte sie.
    Während er dastand und die Smith & Wesson in der Hand hielt, musste er an Bonnie Kirkland denken. An die Mexikaner und das Messer in seinem Stiefel. Der Aufenthalt in Iowa kam ihm wie ein Film vor, den er in einem Flugzeug gesehen hatte. Er hob die Pistole und zielte auf eine der seitlich hängenden Zielscheiben. Er versuchte zu ergründen, was es bedeutete, dass ihm die Waffen, die er bisher in Händen gehalten hatte, immer von einer Frau gereicht worden waren. Konnte das Zufall sein?
    «Ich habe auch eine Glock Compact und eine Luger», sagte sie. «Wie gesagt, die Glocks sind im Moment im Angebot.»
    Er sah über den Lauf der Waffe. Auf der Zielscheibe waren zwei Gestalten abgebildet, ein Mann versteckte sich hinter dem gezeichneten Umriss einer Frau. Der Mann war ein Verbrecher, die Frau seine Geisel. Daniel sah über den Lauf hinweg und bewegte die Waffe unmerklich zwischen den beiden hin und her. Dem Verbrecher, seinem Opfer. Dem Verbrecher, seinem Opfer. Er überlegte, was die Frau wohl für ein Leben geführt hatte, um in diese Situation zu gelangen, in diese Krisensituation ohne Ausweg.
    «Kommt mir vor wie Liebe auf den ersten Blick», sagte die Ladenbesitzerin.
    Es sollte ein Scherz sein, aber er hörte weniger die Worte als ihren Ton, und der besagte, wenn er noch länger stumm bliebe, würde sie anfangen, sich über ihn Gedanken zu machen. Er wandte sich ihr zu und senkte den Lauf.
    «Meinen Sie, ich könnte sie einmal ausprobieren?», fragte er.
    Die Frau lächelte, sie witterte ein Geschäft. Sie fragte ihn, worauf er schießen wolle. Er deutete auf die Geiselszene, und sie holte eine Stehleiter hervor und nahm die Scheibe von der Wand.
    Jetzt, in der Bibliothek, musste er an die Waffe denken, die in seinem Zimmer im Verbindungshaus versteckt war. Er war noch nicht mutig genug, sie bei sich zu tragen, mit einer 40-Kaliber-Pistole, die ihm gegen den Rücken drückte, durch die Stadt zu laufen, aber er machte Fortschritte. Vorgestern hatte er sie mit in den Park genommen, auf einen kurzen Spaziergang, höchstens fünfzehn Minuten, und der Polymergriff hatte sich an seiner Haut gerieben. Es fühlte sich fast an wie eine Erektion, die fiebrige, nachdrückliche Härte eines Dreizehnjährigen, der gerade erst das Fleisch zwischen seinen Beinen entdeckt und noch nicht weiß, was er damit anfangen soll.
    Er hielt die russischen Romane in der Hand, redete mit dem Mädchen in der weißen Hose und lächelte. Er hatte ein Geheimnis, und dieses Geheimnis bedeutete Macht. Wolf oder Schaf? Die

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