Der Venuspakt
im Nu stand er
dicht hinter der Vampirin. Sie begann zu zittern.
«Nicht viel. Senthil hat seit einer Ewigkeit daran gearbeitet, das Rezept zu
vervollkommnen.»
«Augenscheinlich ist er nicht so gut, wie er meint.» Kieran kehrte zu Erik
zurück. Tesfaya musste nicht wissen, wie knapp er der Vernichtung durch
dieses Gebräu entgangen war. Der Werwolf strahlte ruhige Entschlossenheit
aus.
Kieran nickte zufrieden und riss mit seinem Fingernagel eine Ader am
Handgelenk auf. Er hielt Erik die blutende Wunde unter die Nase. Ihm war
klar, dass der Werwolf unter normalen Umständen niemals freiwillig von ihm
getrunken hätte, aus Furcht, für immer an ihn gebunden zu sein. Er rechnete
ihm sein Vertrauen und den Einsatz für die Feenschwestern hoch an.
Gierig sog Erik den Duft des vampirischen Blutes ein und konnte den Jä-
ger, der in ihm schlummerte, nicht verleugnen. Seine Pupillen waren schmal
und senkrecht, als er Kieran einen Moment lang durchdringend anblickte, als
wollte er sich von dessen Aufrichtigkeit überzeugen. Er schien zufrieden zu
sein mit dem, was er im Gesicht des Vampirs las, und beugte sich schließlich
über dessen Handgelenk. Doch statt, wie es seine Natur war, die Zähne in das
weiche Fleisch zu schlagen, leckte er langsam mit seiner rauen Zunge das tief-
rote Blut von einer Wunde, die sich bereits wieder schloss.
Kieran wusste diese offensichtliche Selbstbeherrschung sehr wohl zu schät-
zen und war nun überzeugt, dass Erik ein zuverlässiger Kampfgefährte sein
würde. «Jetzt solltest du gegen das Gift immun sein.»
Erik fühlte sich, als wären noch ganz andere Dinge mit ihm geschehen.
Sowie er Kierans Blut auf der Zunge gespürt hatte, war eine eigentümliche
Flamme seine Wirbelsäule entlang gerast und hatte sich in Windeseile über
den gesamten Körper ausgebreitet. Er besaß selbst für einen Werwolf außerge-
wöhnlich gut entwickelte Sinne, und nicht nur seine Brüder fürchteten Eriks
Reflexe und Kraft. Noch nie war er in den Kämpfen, die unter seinesgleichen
üblich waren, irgendjemandem unterlegen. Jetzt fühlte er den Wind auf sei-
ner Haut intensiver und die Erde unter seinen Füßen schien zu vibrieren von
dem mannigfaltigen Leben in ihr. Der Duft der Frühlingspflanzen und der
weit entfernten salzigen See stimulierte Eriks Geruchssinn auf eine nie erleb-
te Weise. Die atemberaubende Landschaft schimmerte im silbernen Licht des
abnehmenden Mondes.
Kieran sah den jungen Werwolf verständnisvoll an. «Du gewöhnst dich da-
ran. In ein paar Tagen lässt das Ganze auch ein wenig nach.»
Die drei Krieger näherten sich behutsam dem Tal weit oben im einsamen
Norden der britischen Insel, zu dem Tesfaya sie durch die Zwischenwelt ge-
führt hatte. Es gab einen nicht besonders breiten Zugang, der relativ leicht
überwacht werden konnte. Die flankierenden Höhenzüge waren nur von
Flechten und Mosen bewachsen. Nebel hing über dem See und streckte seine
Finger in das Wäldchen am Ufer aus. Die Bäume schienen sich an die Felsen zu
ducken. Ihre Äste hatten sie scheinbar anklagend in Richtung der mächtigen
Festung ausgestreckt, die dunkel über dem totenstillen Tal thronte. Es schien,
als sei jede lebende Seele aus diesem Ort geflohen.
Hier hielt Senthil das Feenkind gefangen.
«Hört zu, ihr zwei!», flüsterte Tesfaya, nachdem sie sich mehrfach umge-
sehen hatte. «Weiter vorn ist die Quelle des Baches, den ihr dort fließen seht.
Daneben, hinter einem Felsen, liegt gut versteckt der Eingang zu einem Höh-
lensystem, durch das wir unbemerkt in die Burg gelangen können.»
«Woher weißt du das?», fragte Kieran misstrauisch.
«Ich bin auf diesem Weg schon häufiger unbemerkt ein- und ausgegangen.
Ich kenne ihn genau.»
«Warum bist du nicht durch die Zwischenwelt ...?»
Rüde unterbrach Tesfaya Erik: «Denk doch nach! Jede magische Aktivität
wäre Senthil sofort aufgefallen und alle anderen Ausgänge sind versiegelt.
Niemandem ist es bisher gelungen, diese Siegel zu brechen.»
Als Erik zu einer ärgerlichen Entgegnung ansetzte, hob Kieran beschwichti-
gend seine Hand. Sofort verstummte der Werwolf.
Tesfaya lächelte zufrieden und fuhr fort: «Ich werde jetzt in die Höhlen ge-
hen. Wenn alles in Ordnung ist, gebe ich euch ein Zeichen.»
«Und an was denkst du da?», fragte Erik.
Sie hatten besprochen, so lange wie möglich auf jeglichen mentalen Kon-
takt und Magie zu verzichten. «Ich werde einen Stein in die Quelle legen, so-
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