Der Venuspakt
Nuriya und er widerstand der Versuchung, sich den
Verlockungen hinzugeben, die seine verwirrten Sinne zu sehen glaubten. Er
war wütend über diesen Versuch der Königin, ihn zu betören. Entschlossen,
den Aufenthalt in ihrem Reich so kurz wie möglich zu halten, damit er weiter
nach Nuriya suchen konnte, folgte er jedoch der Aufforderung und trat einen
Schritt näher.
«Du willst also die Auserwählte befreien?» Sie setzte sich elegant auf den
Thron und betrachtete ihren Gast abschätzend. «Ist das alles, was die Welt der
Dunkelheit zu ihrer Befreiung entsandt hat? Einen Vampir und einen ...», sie
lächelte, «Wolf?»
Kieran ließ sich nicht provozieren und entgegnete kühl: «Niemand hat uns
geschickt.»
«Und warum ist e r hier?». Sie zeigte verächtlich auf Erik.
«Er kann tun, was er für richtig hält. Er gehört nicht in das Reich der Schat-
ten.»
«Das sehe ich selbst!», fauchte sie und es schien, als lauerte unter ihrem
ebenmäßigen Gesicht ein ganz anderes, weniger attraktives Wesen.
Erik wandelte sich so rasch von dem riesigen, weißen Wolf in seine mensch-
liche Form, dass die umstehenden Feen verblüfft einen Schritt zurückwichen.
Wider Willen lächelte Kieran, als sich gleich darauf die Atmosphäre deutlich
entspannte. Vereinzelt waren Kichern und Laute des Wohlgefallens zu hören;
besonders die weiblichen Mitglieder des Hofstaats rückten neugierig näher,
denn sie wussten den Anblick eines unbekleideten, attraktiven Mannes sehr
wohl zu schätzen. Erik bemerkte ihr Interesse gar nicht, und noch gehorch-
te ihm auch seine Stimme nicht ganz. Sie klang eher wie das Knurren eines
gefährlichen Tieres als sein menschliches Selbst. «Ich begleite ihn auf Bitten
von Selena.»
Wieder flackerte die falsche Fassade des Erdgeistes und Erik erhaschte einen
Blick auf spitze, grüne Ohren.
Kieran wusste, dass die Zeit hier anderen Gesetzen unterworfen war als auf
der Oberfläche der Erde. Er drängte deshalb: «Was willst du? Wir haben Wich-
tigeres zu tun, als deine Fragen zu beantworten!»
Wütend sprang die Fee auf und nun bestand kein Zweifel mehr, dass sie
tatsächlich von Kopf bis Fuß grün war. Scharfe Reißzähne wurden sichtbar,
als sie fauchte: «Die Frage ist doch wohl eher, was d u willst!» Zufrieden, dass
Kieran mit seiner Antwort zögerte, fuhr sie fort: «Was ist es? Gold, Diaman-
ten, Macht? Hast du nicht schon genügend Macht, Vengador?» Sie spuckte das
letzte Wort aus wie ein bitteres Kraut.
Kierans Pupillen wirkten wie tosende Strudel geschmolzenen Silbers, als
er seinen Blick hob, und einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte der
Vampir sich auf sie stürzen. Er war schon häufig beleidigt worden. Tatsäch-
lich brachte man ihm selten Sympathie oder gar Anerkennung für seine Ar-
beit entgegen. Aber niemand, nicht einmal seine ärgsten Gegner hatten ihm
bisher Habgier unterstellt. Ein Wirbelsturm schien sich zusammenzubrauen,
heißer Wüstenwind fuhr durch die Kleider der Feen, zauste an ihren Haaren
und ließ Erik entsetzt um Atemluft ringen. Kieran aber stand wie ein Rache-
dämon völlig unbeeindruckt inmitten des Geschehens.
«Wer bist du?» Die Feenkönigin hatte Mühe ihre Stimme über das Tosen
zu erheben, und Erik glaubte eine leichte Unsicherheit herauszuhören. Sofort
legte sich der Sturm und nichts wies mehr auf dieses ungewöhnliche Phäno-
men hin, als Kieran entgegnete: «Nuriya gehört mir und niemand – nicht ein-
mal die Götter – legt Hand an das, was mein ist!»
Ein abfälliges Lächeln umspielte die Mundwinkel der Fee. «Du erhebst also
Anspruch auf die Hand der Auserwählten ...? Du wirst feststellen, dass man
ein Feenkind nicht einfach so besitzen kann. Wenn sie sich gegen dich ent-
scheidet, Vampir, dann gehörst du mir!»
«Meinetwegen ... Wenn du Erik gehen lässt!», verlangte Kieran. Ihm war es
völlig gleichgültig, was mit ihm geschah, sollte Nuriya das Abenteuer nicht
überleben. Verstieß sie ihn, war sein Leben ebenfalls keinen Pfifferling mehr
wert. Eine Zukunft ohne diese kleine Fee wollte er sich nicht vorstellen.
Der Hofstaat um ihn herum schrie empört auf und deutlich war zu hören,
wie sie zischten: «Wie kann er es wagen, Forderungen zu stellen?»
Die Königin blickte erst Kieran und dann Erik scharf an. Was immer sie in
ihren Gesichtern gelesen haben mochte, es schien sie zufrieden zu stellen.
«Einverstanden, Erik bleibt frei. Er hat Selena bisher nicht geschadet – und
wird das
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