Der Venuspakt
dass der Bach für einen Moment versiegt. Das ist das Zeichen!»
Kieran schaute sie durchdringend an und Tesfaya wartet darauf, dass er ihre
Gedanken erforschen würde. Sie konnte jedoch nicht einmal die Andeutung
einer Berührung spüren. Erleichtert entfloh sie in Richtung der Quelle, als der
Vengador schließlich nickte.
«Traust du ihr?»
«Ich traue niemandem, aber sie sagt die Wahrheit. Glaube mir, ich weiß,
wann ich einen Lügner vor mir habe. Komm, wir überqueren den Bach und
steigen dort drüben in die alte Eiche. Ein guter Aussichtspunkt, will mir schei-
nen.»
Erik grinste. «Vertrauen ist gut ...!», er verstummte kurz und legte seinen
Kopf schräg. «Hast du das gehört?» Doch die Frage war überflüssig, denn Kier-
an lauschte konzentriert in den Wald hinein. Ein leises Rascheln war zu hören.
Eriks Pupillen weiteten sich vor Überraschung, als er Nuriya leblos zwischen
zwei mächtigen Steinen liegen sah. Ihre Lippen waren aufgeplatzt, ein Auge
beinahe zugeschwollen, als hätte sie jemand geschlagen, und Blut tropfte aus
ihrem Mundwinkel. Bei ihrem Anblick hatte Kieran das Gefühl, als drehe je-
mand einen Dolch in seinem Herzen um. Er gab ein gefährliches Fauchen von
sich und wollte zu ihr stürzen, aber Erik hielt den Vampir zurück. «Ich kann
sie nicht spüren!»
«Niemand kann das!» Kieran wollte sich losreißen.
«Aber du kannst es, Kieran!» Eriks Stimme klang so eindringlich, dass er in-
nehielt. Es stimmte, Kieran hatte sie immer spüren können, selbst im Hellfire.
Und nun sah er das Mädchen zwar dort liegen, aber sie war auf merkwürdige
Weise weit entfernt von ihm.
«Du glaubst, es ist eine Falle?»
Erik ließ erleichtert den Ärmel des Vampirs los. Aber da stöhnte das Mäd-
chen und flüsterte: «Kieran, bitte!»
Nichts konnte ihn mehr halten. Er stürmte vorwärts und wusste im selben
Moment, dass dies ein Fehler war. Kieran hatte Nuriya noch nicht erreicht,
als sich ihre Konturen auflösten und der Boden unter seinen Füßen nachgab.
Entsetzt beobachtete Erik, wie der Vengador im Erdboden versank. Ehe die
eigentümliche, magische Öffnung sich wieder schließen konnte, beschwor
Erik das Bild eines Polarwolfs vor seinem inneren Auge und verwandelte sich
so schnell wie noch nie. Es war keine Zeit, sich über das Tempo seiner Ge-
staltwandlung Gedanken zu machen – mit einem gewaltigen Satz sprang er
Kieran hinterher.
Erik fühlte ein seltsames Rauschen in seinen Ohren und fand sich uner-
wartet in einer riesigen, unterirdischen Höhle wieder. Die Wände waren mit
Kristallen überzogen. Eine flache Quelle sprudelte in der Mitte über glattes
Gestein. Das Wasser glitzerte in den ungewöhnlichsten Grüntönen, die sich
in den Kristallen tausendfach widerspiegelten und die Höhle in ein unwirk-
liches, geradezu gespenstisches Licht tauchten. Ihnen gegenüber sah er eine
Grotte, die von unzähligen, schwirrenden Lichter beleuchtet war und in der
ein reich mit kostbaren Stoffen geschmückter Thron stand. Vor dieser Grotte
sahen sie wundersame Wesen, die auf Felsen hockten, in Gruppen zusammen-
standen oder bequem auf weichen Kissen lagerten. Wenige waren Männer.
Und dann verstummten die leisen Gespräche und alle verbeugten sich vor der
Frau, die wie aus dem Nichts in der Grotte auftauchte. Ihr Haar war ebenso
lang und weißblond wie das der Clubbesitzerin Órla. Aber hier endeten die
Parallelen auch schon. Die Symmetrie in dem Gesicht dieser Frau war perfekt,
ihre Figur sehr reizvoll – und besaß die Blutfee bereits die Ausstrahlung einer
machtvollen Prinzessin der Finsternis, so blickte sie nun eine Königin an.
«Was haben wir denn da?»
Eine Fee eilte an ihre Seite und schien der Herrscherin etwas ins Ohr zu flüs-
tern. Diese schaute ihre beiden Gäste daraufhin durchdringend an und sag-
te mit tiefer, leiser Stimme: «Komm her zu mir, Vampir – und bring deinen
Schoßhund ruhig mit!»
Erik gab ein knurrendes Geräusch von sich, das umgehend mit einem
feindseligen Zischen von den Feen beantwortet wurde. Erschrocken legte der
Werwolf seine Ohren flach an den Kopf und drängte sich näher an Kieran.
Der Vampir begegnete dem prüfenden Blick der Königin ohne Zögern. Se-
kundenlang starrten sie sich an und es schien, als vergaßen alle anderen für
diese Zeit das Atmen. Die seegrünen Augen der Fee wirkten wie zwei endlose
Strudel und es schien, als wollten sie seine Seele in ihre Bann ziehen. Die Far-
be erinnerte Kieran an
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