Der Venuspakt
hinabrann, deutlich hören und sogar das erwähnte Seil gut genug riechen,
um sich daran orientieren zu können, ohne es zu ergreifen.
Lautlos stiegen die drei die immer steiler werdenden Stufen zur Burg hin-
auf, bis sie eine schwere Tür erreichten. Tesfaya zog einen großen Schlüssel
aus der Tasche und öffnete das gut geölte Schloss behutsam. Die Tür schwang
lautlos auf.
Dahinter lag grau und staubig eine schwach erhellte Steintreppe. Augen-
scheinlich sorgten kleine, unauffällige Öffnungen im Mauerwerk dafür, dass
Luft in den Gang gelangen konnten. Den Eindringlingen genügte das silberne
Mondlicht, das durch diese Öffnungen schien, um sich zu orientieren.
Kieran gefiel die Sache immer weniger. Der Gang war schmal und so nied-
rig, dass er nur in gebückter Haltung die Treppe hinaufgehen konnte. Sollte
der Feind sie hier entdecken, würden sie sich nicht einmal richtig verteidi-
gen können. Widerwillig und trotz dieser Bedenken folgte er Tesfaya und war
dankbar, dass hinter ihm Erik lautlos die Stufen erklomm. Er wusste auch
ohne mentalen Kontakt, dass dem Werwolf die Situation ebenso wenig be-
hagte wie ihm selbst.
Auf einem Treppenabsatz blieb ihre Führerin schließlich stehen und wies
auf eine schmale Tür. Kieran konnte deutlich das Siegel erkennen, mit dem
Senthil sein Schlafzimmer geschützt hatte: Über dem Durchgang leuchtete
schwach ein magischer Knoten.
Die Vampirin flüsterte: «Dieses Siegel kenne ich.» Sie zögerte nicht und be-
gann sofort, den komplizierten Zauber aus grünlich schimmernden Linien zu
lösen.
«Irgendetwas stimmt nicht!», dachte Kieran. «Aber was?» Und dann wurde es
ihm mit einem Mal klar! Tesfaya war vor Senthil geflohen, und er hatte ihr seine
tödlichen Sicarier vergeblich hinterhergeschickt. Niemals würde dieser erfahre-
ne Vampir seine Siegel nach so einem unerhörten Vorfall unverändert lassen.
«Eine Falle!», zischte Kieran und hob seine Hand, um ein Portal in die Zwi-
schenwelt zu öffnen, da tauchten wie aus dem Nichts ein Dutzend von Sent-
hils Wächtern auf.
Erik, der nahezu gleichzeitig zu derselben Erkenntnis gelangt war wie Kie-
ran, konnte sich blitzschnell in eine schmale Nische retten. Geistesgegenwär-
tig riss er das Feenamulett aus seiner Tasche und legte es um seinen Hals. In
der Hoffnung, dass Belindas Zauber stark genug war, ihn zu verbergen, blieb
er regungslos stehen und wurde Zeuge, wie Tesfaya und Kieran zusammen-
brachen. Sie wurden mit Kry angegriffen! Wie ein entfesselter Hagelsturm
schossen rasierklingenscharfe Kristalle durch die Luft und bohrten sich in
ihre Opfer. Erik versuchte sich zu erinnern, es war nicht viel, was er über die-
se besonders tückische Waffe wusste, denn es gab kaum jemanden, der einen
Angriff mit ihr überlebt hatte, um darüber zu berichten, und noch viel we-
niger wussten sie herzustellen. Die Kristalle eigneten sich hervorragend, um
eine tödliche Magie zu transportieren, die sich erst im Körper des Opfers ent-
faltete und dessen Regenerationsfähigkeit stark verlangsamte. Ihren Namen
hatten die Kristalle, wohl auch dem Umstand zu verdanken, dass sie extreme
Schmerzen verursachten. Erik hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, so
laut gellten Tesfayas Schmerzensschreie.
Senthil trat durch die Tür und blickte sich um. Mit zwei Schritten war er bei
der Vampirin und schlug sie nieder. «Halt den Mund!» Mit seiner Stiefelspitze
drehte er die nun Leblose auf ihren Rücken. «Ich denke, du hast dir einen ganz
speziellen Platz in unserem Ritual verdient!» Er drehte er sich um. Kieran lag
stumm in einer rasch größer werdenden Blutlache. Blut, das er dringend zur
Heilung seiner Wunden benötigte. Senthil beugte sich über ihn. «So schweig-
sam? Immer der stolze Vengador! Aber du wirst bald schon vor mir kriechen
und um Erlösung betteln, das verspreche ich dir!»
Mit angehaltenem Atem beobachtete Erik, wie ein Kristall, von Kierans
Körper abgestoßen, an die Hautoberfläche gelangte und leise klirrend die stei-
nernen Stufen hinabsprang. Sofort begann sich die hässliche Wunde über sei-
nem Herzen zu schließen und seine Augenlider flatterten, als erwachte er aus
einer tiefen Ohnmacht.
Senthil hatte es auch gesehen. «Nicht nötig, dass du dich mit der Heilung so
sehr beeilst, Vengador!» Der hasserfüllte Ton erschreckte Erik. Der Entführer
hatte auf Kieran gewartet. Wollte er womöglich viel mehr, als nur den Venus-
pakt zu verhindern?
In diesem
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