Der Venuspakt
auffällige Magie und keine Über-
griffe auf Sterbliche.
Der Besitzer hielt seine Bar rund um die Uhr geöffnet und so begegnete man
hier in den frühen Morgenstunden Nachtschwärmern, denen es nichts aus-
zumachen schien, wenn sie ab und zu ihre Füße heben mussten, damit die
Reinigungsfrau die Spuren anderer Gäste beseitigen konnte.
Mittags, so wusste er, kamen Geschäftsleute zum Essen und vornehme Da-
men mit zahllosen Einkaufstüten, in denen sie ihre Beute aus den benachbar-
ten, exklusiven Boutiquen heimtrugen. Marktleute von gegenüber standen
am langen Tresen. Sie genehmigten sich ein Gläschen Wein zur Stärkung und
griffen dabei häufig zu dem stets frischen Brot, das hier kostenlos in kleinen
silbernen Körben bereitstand.
Am Nachmittag wurde es ruhiger und Kaffeehaus-Atmosphäre machte sich
breit. Ältere Herren rauchten, hinter großen Tageszeitungen verborgen, wür-
zige Zigarren; Männer und Frauen hockten mit gebeugtem Kopf über handge-
schriebenen Texten und vereinzelt sah man den einen oder anderen auch mit
Laptop und Handy hantieren.
Wenn die umliegenden Büros und Geschäfte allmählich schlossen, fand sich
wieder ein neues Publikum ein. Die Küche sei exzellent, so war zu hören, und
viele Gäste gönnten sich vor dem Heimweg noch einen Drink. Das taten auch
diejenigen, die vor einem Diskothekenbesuch hier einkehrten, und so war die
Theke nun, wie jeden Abend, dicht umlagert, die Musik wurde lauter gedreht
und die Luft vibrierte vor gespannter Erwartung und fröhlichen Flirts.
Als die Frauen die Bar betraten, stand für Asher einen Augenblick lang die
Welt still. Die zwei hätten unterschiedlicher kaum aussehen können. Die klei-
nere blickte sich zwar zögernd um, aber ihr sinnlicher Gang verriet keine Un-
sicherheit. Dennoch schien sie sich ihrer erotischen Ausstrahlung überhaupt
nicht bewusst zu sein. Vergeblich hatte sie versucht, ihr leuchtend rotes Haar
mit einer Hochsteckfrisur zu bändigen. Schon lösten sich einige Strähnen, die
den sanft geschwungenen Nacken einladend betonten. Asher ertappte sich
dabei, wie er die Lippen leckte, als er sich vorstellte, wie es wäre, wenn seine
Zähne ihre nahezu transparente Haut durchbohrten.
Eine attraktive Sterbliche. Und doch war es ihre Begleiterin, die seine Auf-
merksamkeit fesselte. Sie war groß gewachsen und hätte durchaus ein Model
sein können, so exquisit waren ihre zart modellierten Gesichtszüge. Nacht-
schwarzes Haar umspielte bei jeder Bewegung mit einem weichen Schwung
die schmalen Hüften. Jede Faser dieses Körpers schien nach Liebe zu rufen.
Das war eindeutig die attraktive Tochter einer Fee im besten Alter!
Asher schluckte, während ihm die Hoffnung fast das Herz abschnürte. In
diesem Moment streifte ihn ihr Blick aus sinnlich dunkel geschminkten Au-
gen und er spürte eine Sehnsucht in sich, die der fast 1400 Jahre alte Vampir
nie zuvor verspürt hatte.
Feenkind.
Er gab sich große Mühe, nicht zu auffällig in ihre Richtung zu sehen.
Die beiden Frauen blieben kurz stehen und schauten sich suchend um. Und
während das Leben um ihn herum aus einer vorübergehenden Starre zu er-
wachen schien, fiel Ashers Blick auf seine zu Klauen gebogenen Finger, die er
tief ins Holz seines Tisches gepresst hatte. Behutsam streckte er die Hände aus,
legte sie flach vor sich auf den Tisch und atmete mehrmals tief durch.
Er versuchte, den Schaden mit so wenig Magie wie möglich zu beheben,
um keine unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dabei fragte
er sich, ob dies die Auserwählte sein könnte. Die derzeit meistgesuchte Fee,
vorbestimmt für die Verbindung zwischen dem Feenreich des Lichts und der
Welt der Vampire. Macht und Reichtum winkten dem Vampir, der sie zu einer
Tochter der Nacht transformierte.
Sobald die Auserwählte gefunden war, stand sie unter dem Schutz der Ven-
gadoren, bis ihr Seelenpartner gefunden war. Ohne Schutz hätte die Auser-
wählte keine große Chance gegen die zahllosen liebestollen und machthung-
rigen Vampire, die vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung an ausschwärmten, wie
Fledermäuse bei Sonnenuntergang. Jeder Einzelne von der Hoffnung getrie-
ben, sie auf die eine oder andere Weise für sich zu gewinnen.
Wenn die Venus nach 120 Jahren zum ersten Mal wieder auf ihrem Weg
durch den Himmel die Sonne überquerte, musste die Verbindung zwischen
dem Reich der Dunkelheit und des Lichts erneuert werden. Acht Jahre später
gäbe es zwar einen zweiten
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