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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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Pfade, die am Fuß der Klippen entlangführten, die Wege durch den freigelegten Teil des Labyrinths und die ausgedehnten Gartenanlagen ebenso vertraut wie es einst die nebligen Straßen von London gewesen waren. Und so weit sie das Gelände auch erkundete, der Garten wuchs und veränderte sich mit jeder Jahreszeit, sodass es immer etwas Neues zu entdecken gab.
    »Das liegt in unserer Familie. Deine Mutter …« Ihm versagte die Stimme. »Deine Mutter war als kleines Mädchen auch ganz vernarrt in den Garten.«
    Eliza versuchte, diese Information mit den eigenen Erinnerungen an ihre Mutter in Verbindung zu bringen. Durch den Zeittunnel erschienen Fragmente vor ihrem geistigen Auge: Mutter in dem fensterlosen Zimmer über dem Laden der Swindells; der kleine Blumentopf mit dem duftenden Kraut. Die Pflanze war bald eingegangen, denn in dem düsteren Loch konnte kaum etwas überleben.
    »Tritt näher, mein Kind«, sagte der Onkel und winkte Eliza zu sich. »Komm ins Licht, damit ich dich ansehen kann.«
    Eliza ging um den Schreibtisch herum und blieb neben ihm stehen. Der Geruch im Zimmer war intensiver geworden, beinahe als würde ihr Onkel selbst ihn ausdünsten.
    Er streckte eine leicht zitternde Hand aus und streichelte Eliza über das lange rote Haar. Nur leicht, ganz zart. Dann zog er die Hand wieder zurück, als hätte er sich verbrannt.
    Er schüttelte sich.

    »Ist Ihnen nicht gut, Onkel? Solch ich jemanden zu Hilfe holen?«
    »Nein«, erwiderte er hastig. »Nein.« Noch einmal streichelte er ihr das Haar, schloss die Augen. Eliza stand so nah bei ihm, dass sie die Bewegung der Augäpfel unter seinen Lidern sehen, die winzigen Schluckgeräusche in seiner Kehle hören konnte. »Wir haben so lange gesucht, überall, um deine Mutter … um unsere Georgiana nach Hause holen zu können.«
    »Ja, Sir.« Mary hatte ihr davon erzählt. Von Onkel Linus’ Liebe zu seiner jüngeren Schwester, wie es ihm das Herz gebrochen hatte, als sie verschwand, von seinen häufigen Fahrten nach London. Von der Suche, die seine Jugend und seine ohnehin spärliche gute Laune verzehrt hatte, von dem Eifer, mit dem er jedes Mal von Blackhurst aufgebrochen war, und der unvermeidlichen Niedergeschlagenheit bei seiner Rückkehr. Wie er sich in die Dunkelkammer zurückgezogen, sich dem Sherry hingegeben und jeden guten Rat zurückgewiesen hatte, selbst den von Tante Adeline, bis Mr Mansell wieder einmal mit einer neuen Spur erschienen war.
    »Wir sind zu spät gekommen.« Sein Streicheln wurde heftiger, er wickelte sich Elizas Haare wie ein Band um die Finger. Er zog so heftig an ihren Haaren, dass sie sich an der Schreibtischkante festhalten musste, um nicht umzufallen. Sein Gesicht zog sie völlig in seinen Bann, es war das Gesicht des verwundeten Märchenkönigs, den seine Untertanen verlassen hatten. »Wir sind zu spät gekommen. Aber jetzt bist du hier. Durch Gottes Gnade habe ich eine neue Chance erhalten.«
    »Wie bitte?«
    Ihr Onkel ließ seine Hand in den Schoß fallen, und seine Augenlider öffneten sich. Er deutete auf eine kleine, mit einem cremefarbenen Musselinteppich geschmückte Bank an der gegenüberliegenden Wand. »Setz dich«, sagte er.
    Eliza blinzelte ihn verständnislos an.

    »Setz dich.« Er humpelte zu einem schwarzen Stativ, das an der Wand stand. »Ich will dich fotografieren.«
    Eliza war noch nie fotografiert worden, und sie war auch nicht interessiert daran. Sie war gerade im Begriff, ihm das zu sagen, als die Tür geöffnet wurde.
    »Das Geburtstagsessen ist serv…« Tante Adelines Satz endete in einem schrillen Ton. Sie schlug sich die dürre Hand an die Brust. »Eliza!« Heftig atmend sagte sie: »Was denkst du dir eigentlich, Mädchen? Ab nach oben. Rose möchte dich sehen.«
    Eliza nickte und eilte zur Tür.
    »Und hör auf, deinen Onkel zu belästigen«, zischte Tante Adeline, als Eliza an ihr vorbeiging. »Siehst du nicht, dass er erschöpft ist von seiner Reise?«
     
     
     
    Der Tag war also gekommen . Adeline hatte nicht gewusst, welche Form er annehmen würde, aber die Drohung hatte ständig in der Luft gelegen, an dunklen Orten gelauert und verhindert, dass sie sich jemals wirklich hatte entspannen können. Zähneknirschend unterdrückte sie ihre Wut, bis ihr der Hals schmerzte. Zwang sich, das Bild wieder zu verdrängen. Georgianas Tochter, das lange Haar offen, für jeden sichtbar ein Geist aus der Vergangenheit, und dazu der Ausdruck auf Linus’ Gesicht, die alten Züge verzerrt vom Verlangen

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