Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
Vom Netzwerk:
worden. Nells lapidarer Kommentar dazu hatte stets gelautet, sie sei nicht gewillt, Geld auszugeben, um den Nachbarn zu einer schönen Aussicht zu verhelfen. Wenn den Leuten der Anblick ihres Hauses nicht gefiele, könnten sie gern woanders hingucken.
    Bei der Rückwand allerdings war das etwas anderes, denn das war, wie Nell immer gesagt hatte, die einzige Wand, die sie sich häufig selbst ansahen. Während also an den Seitenwänden und der Front die Farbe unter der gnadenlosen australischen Sonne abblätterte, war die Rückwand eine Augenweide. Alle fünf Jahre wurden Farbmuster beschafft, und dann wurde ausgiebig und leidenschaftlich über die Vorzüge eines neuen Farbtons debattiert. Während der Zeit, die Cassandra in dem Haus verbracht hatte, war die Rückwand mal türkis, mal fliederfarben, mal zinnoberrot und mal mintgrün gewesen. Einmal hatte sogar ein - wenn auch unautorisiertes - Wandgemälde die rückwärtige Fassade geziert.
    Damals war Cassandra neunzehn gewesen und hatte das Leben genossen. Sie war mitten im zweiten Jahr ihres Kunststudiums, ihr Zimmer hatte sich immer mehr in ein Atelier verwandelt, sodass sie schließlich über ihre Staffelei klettern musste, um ins Bett zu gelangen, und sie träumte davon, nach Melbourne zu ziehen, um Kunstgeschichte zu studieren.
    Nell war nicht besonders begeistert von ihren Plänen. »Du kannst auch an der Uni in Queensland Kunstgeschichte studieren«,
sagte sie jedes Mal, wenn Cassandra das Thema ansprach. »Dazu brauchst du nicht extra in den Süden zu ziehen.«
    »Aber ich kann doch nicht ewig zu Hause wohnen bleiben, Nell.«
    »Wer hat denn von ewig geredet? Lass dir einfach noch ein bisschen Zeit und lerne erst mal, auf eigenen Füßen zu stehen.«
    Cassandra zeigte auf ihre Füße, die in Doc Martens steckten: »Kann ich schon.«
    Nell lachte nicht. »Melbourne ist ein teures Pflaster, und ich kann es mir nicht leisten, dir dort die Miete zu bezahlen.«
    »Also, ich kellnere nicht zum Spaß im Paddo Tav, weißt du.«
    »Pah, bei dem, was du da verdienst, musst du noch zehn Jahre sparen, bis du nach Melbourne gehen kannst.«
    »Ja, da hast du recht.«
    Nell hob die Brauen angesichts dieser unerwarteten Kapitulation.
    »Allein krieg ich nie genug Geld zusammen.« Cassandra nagte an ihrer Unterlippe. »Wenn ich nur jemanden wüsste, der bereit wäre, mir einen Kredit zu geben, jemanden, der mich genug liebt, um mich bei der Verwirklichung meiner Träume zu unterstützen …«
    Nell hob die Kiste mit dem Porzellan auf, die sie mit auf die Auktion nehmen wollte. »Ich lasse mich von dir nicht in die Ecke drängen, meine Liebe.«
    Cassandra witterte einen feinen Riss in der Schutzmauer. »Wir reden also später noch mal darüber?«
    Nell verdrehte die Augen. »Ich fürchte, ja. Und dann noch mal und noch mal.« Sie seufzte, um klarzustellen, dass das Thema vorerst beendet war. »Hast du alles, was du brauchst, um die Rückwand zu streichen?«
    »Du kannst ja nachsehen.«
    »Vergiss nicht, den neuen Pinsel zu benutzen. Ich habe keine
Lust, die nächsten fünf Jahre Pinselhaare an der Hauswand kleben zu sehen.«
    »Ja, Nell. Und ich werde auch darauf achten, den Pinsel vor dem Anstreichen in die Farbe zu tauchen.«
    »Sei nicht so frech.«
    Als Nell am Nachmittag vom Antiquitätenmarkt zurückkam, ging sie ums Haus herum, blieb vor der Rückwand stehen und warf einen kritischen Blick auf die frische Farbe.
    Cassandra trat von ihrem Werk zurück und hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut loszuprusten. Und wartete.
    Das Zinnoberrot war beeindruckend, aber was Nell entgeistert anstarrte, war ein Detail in Tiefschwarz, das Cassandra in einer Ecke eingefügt hatte. Die Ähnlichkeit war verblüffend: Nell in ihrem Lieblingssessel, in der Hand eine Tasse dampfenden Tee.
    »Tja, offenbar bist du doch in der Ecke gelandet, Nell. Das war nicht geplant, es ist einfach so über mich gekommen.«
    Nell schüttelte den Kopf mit einem Gesichtsausdruck, den Cassandra nicht deuten konnte.
    »Gleich daneben werde ich noch ein Bild von mir hinzufügen, um dich daran zu erinnern, dass wir zusammengehören, auch wenn ich irgendwann in Melbourne wohne.«
    Dann hatten Nells Lippen kaum merklich gezittert. Sie hatte erneut den Kopf geschüttelt, die Kiste abgestellt, die sie von ihrem Stand mitgebracht hatte, und einen tiefen Seufzer ausgestoßen. »Du bist wirklich ein freches Mädchen«, hatte sie gesagt. Und dann hatte sie unwillkürlich gelächelt und Cassandras Gesicht in

Weitere Kostenlose Bücher