Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
habe.«
»Ich fürchte, Madam«, sagte er seufzend, »dass Sie Ihre Zeit vergeudet haben, ebenso, wie Sie jetzt meine vergeuden. Ich verkaufe nichts auf Kommission.«
Ärger schnürte ihr die Kehle zu. »Ich will mein Buch auch gar nicht verkaufen. Ich möchte Sie lediglich bitten, einen Blick darauf zu werfen, damit ich die Meinung eines Fachmanns erfahre.« Ihre Wangen glühten, ein ungewohntes Gefühl. Sie errötete nicht so leicht, im Gegenteil, sie war immer in der Lage gewesen, sich vor solch unerwünschten, verräterischen Gefühlssignalen zu schützen.
Mr Snelgrove wandte sich um und bedachte sie mit einem kühlen, missmutigen Blick. Irgendeine Gefühlsregung (welche, hätte sie nicht sagen können) ließ seinen Mundwinkel zucken, dann deutete er mit einer kaum wahrnehmbaren Geste zu dem kleinen Büro hinter seiner Ladentheke.
Ohne zu zögern ging Nell durch die Tür. Diese Art von winzigem Entgegenkommen konnte einem viel zu leicht die Entschlusskraft rauben. Eine Träne der Erleichterung schickte sich an, ihre Verteidigungslinien zu durchbrechen, und Nell kramte in ihrer Handtasche in der Hoffnung, noch ein altes Papiertaschentuch zu finden, mit dem sie den Verräter in seine Schranken weisen konnte. Was, zum Teufel, war mit ihr los? Sie war nicht gefühlsduselig, nein, sie war in der Lage, sich zu beherrschen. Zumindest war es bisher immer so gewesen. Bis vor Kurzem, bis Doug ihr diesen Koffer gebracht und sie darin das Buch mit den Geschichten und dem Bild auf dem Deckblatt gefunden hatte. Bis sie angefangen hatte, sich wieder an Dinge und Menschen zu erinnern, wie zum Beispiel an die Autorin; an Fragmente ihrer Vergangenheit, erspäht durch kleine Löcher in der Hülle ihres Gedächtnisses.
Mr Snelgrove schloss die Glastür hinter sich und schlurfte über einen Perserteppich, dessen Farben stumpf waren von altem Schmutz. Er bahnte sich den Weg durch ein Labyrinth aus Bücherstapeln
und ließ sich in einen Ledersessel auf der anderen Seite des Schreibtischs fallen. Klaubte eine Zigarette aus einem zerknautschten Päckchen und zündete sie an.
»Nun …«, das Wort kam zusammen mit einer Rauchwolke aus seinem Mund, »dann lassen Sie mich mal einen Blick auf Ihr Buch werfen.«
Nell hatte das Buch in ein Geschirrtuch gewickelt, bevor sie in Brisbane aufgebrochen war.
Eine vernünftige Idee - schließlich war das Buch alt und wertvoll und musste geschützt werden -, doch hier, in dem Dämmerlicht von Mr Snelgroves Fundgrube, war ihr die hausfrauliche Verpackung auf einmal peinlich. Nachdem sie die Schnur entfernt und das rot-weiß karierte Tuch aufgeschlagen hatte, musste sie sich zusammenreißen, um es nicht tief unten in ihrer Handtasche verschwinden zu lassen. Dann drückte sie das Buch über den Tisch hinweg in Mr Snelgroves ausgestreckte Hand.
Schweigen breitete sich aus, nur unterbrochen vom Ticken einer verborgenen Wanduhr. Nell wartete ängstlich gespannt, während er langsam die Seiten umblätterte.
Er schwieg noch immer.
Vielleicht erwartete er ja weitere Erklärungen. »Was ich mir erhofft habe …«
»Ruhe.« Eine bleiche Hand hob sich auf der anderen Seite des Tischs. Die Zigarette, die zwischen seinen Fingern klemmte, drohte, ihre Aschenspitze zu verlieren.
Nell blieben die Worte im Hals stecken. Zweifellos war er der ungehobeltste Mann, mit dem sie sich je hatte abgeben müssen, und angesichts des Charakters einiger ihrer Geschäftspartner unter den Antiquitätenhändlern hieß das schon einiges. Nichtsdestotrotz stellte er ihre beste Chance dar, an die Informationen zu gelangen, die sie brauchte. Ihr blieb nicht viel anderes übrig als dazusitzen, wie abgestraft abzuwarten und zuzusehen, wie der
weiße Körper der Zigarette sich in einen langen Aschezylinder verwandelte.
Schließlich löste sich die Asche von der Zigarette und rieselte auf den Boden, wo sie sich zu den anderen staubigen Leichen gesellte, die einen ähnlich stillen Tod gestorben waren. Nell, die alles andere als eine pingelige Hausfrau war, erschauerte.
Mr Snelgrove zog noch ein letztes Mal gierig an seiner Zigarette und drückte die Kippe dann im überquellenden Aschenbecher aus. Nachdem eine Ewigkeit vergangen zu sein schien, sagte er, begleitet von einem rasselnden Husten: »Wo haben Sie das her?«
Bildete sie sich das neugierige Beben in seiner Stimme nur ein? »Es wurde mir geschenkt.«
»Von wem?«
Was sollte sie darauf antworten? »Von der Autorin persönlich, nehme ich an. Ich kann mich nicht genau
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