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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Taschendieb nach der Tasche an ihrem Arm griff. Sie wirbelte herum, und Blut spritzte.
    Sie hatte die Krallen ausgefahren.
    Ich zog mein Jagdmesser und rannte auf sie zu. Ich musste sie aufhalten, bevor sie einen dieser Bettler tötete oder andere Leute sich ins Gefecht stürzten, so unvernünftig, wie sie hier meist waren.
    Wenn sie ihr Leben durch meine Hand verloren, würde es eine Verhandlungssache sein. Wenn sie es durch ihre Hand verloren …
    Zu viele Rücken und Köpfe waren mir im Weg. Ich kletterte einem großen, fluchenden Mann auf die Schultern. In diesem Moment hatte ich völlig vergessen, dass ich verkleidet war. Niemand außer mir wusste, dass ich eine Klinge war.
    »Aus dem Weg«, brüllte ich, aber meine Stimme war zu schrill, um viel Aufmerksamkeit zu erregen. Mit einem Sprung landete ich auf einer Frau, und wir stürzten zusammen zu Boden. Der Mann neben ihr sah mein Messer und drängte sich außer Reichweite, als ich aufstand.
    Die Tanzmistress klammerte sich an eines der Beine des Schädelpferdes und schwang einen Stock, den sie einen Augenblick zuvor noch nicht in der Hand gehabt hatte. Ich dankte der Göttin und den Tulpas meiner verlorenen Heimat, dass sie niemandem ein Schwert entrissen hatte. Aber Blut war geflossen, und die Menge schrie nach mehr Blut. Das Tötungsrecht mochte noch immer zu einem Problem werden.
    Mit Fäusten und Ellenbogen kämpfte ich mich zu ihr durch. Zwei Schläger von der Straßengilde näherten sich der Tanzmistress. Ich versetzte dem einem einen Fingerjab hinter das Ohr, dass er heulend zurückstolperte. Sie versuchte, den anderen von sich zu stoßen, erwischte ihn aber mit ihren Fußkrallen unter dem Kinn und riss ihm die Kehle auf. Blut spritzte in hohem Bogen. Sein Gefährte packte mich. Ich drehte mich, blockierte seinen Dolchstoß und stieß ihm mein eigenes Messer in den Bauch. Er ging endgültig zu Boden und spuckte Blut und Galle. Der andere wankte, während die Menschen um uns in Panik gerieten. Die vor uns schoben nach hinten und die hinter uns nach vorn. Ich packte ihre Hand und rief in petraeanischer Sprache: »Komm mit. Komm mit.«
    Obwohl die Kampfeslust in ihren Augen funkelte, folgte die Tanzmistress meinen Worten. Sie sprang hinab auf die beiden Körper, von denen der eine sich noch bewegte und ein Stöhnen hervorbrachte, und rief: »Wohin?«
    Ich deutete voraus und verschaffte mir mit Ellenbogen und Messergriff einen Weg durch die Menge. Die Leute machten, dass sie aus meiner Reichweite kamen.
    Sie folgte mir.
    Was uns retten würde, war der Umstand, dass sich all die vielen Festteilnehmer dicht auf der Straße drängten. Das ganze Kampfgetümmel war vermutlich zwanzig Schritte weiter schon nicht mehr wahrgenommen worden. Ich bahnte mir betend einen Weg und hoffte, dass mir die Tanzmistress dicht auf den Fersen blieb.
    Womit ich nicht rechnete, waren die vielen Kinder, die uns folgten und von Blut und Tötungsrecht schrien. Ich war sicher, dass der Mann der Straßengilde, den ich erstochen hatte, tot war. Der andere vermutlich auch, und das durch die Hand der Tanzmistress.
    Ich genoss Schutz vor dem Tötungsrecht, aber sie nicht. Wenn auch noch ein Kind irgendeiner höheren Familie verletzt wurde, war ihr Schicksal besiegelt.
    Bei diesen Gedanken geriet ich vor Enttäuschung fast ins Stolpern. Kinder. Um die ich mich sorgte und für die ich mich einsetzen wollte, wie ich nicht müde wurde, zu sagen. Wie leicht sie doch im Wege und lästig sein konnten, wenn sie nicht den eigenen Vorstellungen entsprachen.
    Vor uns verfolgte eine schlängelnde Reihe von Kohlendämonen eine Feuerschlange. Ich wandte mich mit blanker Klinge um und schob die Tanzmistress an mir vorbei. Ich zeigte der Kindermeute die blutige Waffe. »Verschwindet aus dem Hafen«, schrie ich ihnen in Seliu zu, »bevor noch mehr von den Kindsentführern kommen!«
    Das war eine verdammte Lüge, aber es ließ sie innehalten. Ein Augenblick war alles, was ich brauchte. »Bleib dicht bei mir!«, rief ich in Petraeanisch. Die Schlange wand sich dicht vor uns hin und her, begleitet von Gongschlägen und heißen roten und orangen Dämpfen aus Räuchergefäßen unter ihrer Haut. Dort waren schwitzende, fast nackte Männer damit beschäftigt, Stangen zu bewegen und seitwärts und vor und zurück zu wanken. Es war ein Gewirr von Stangen und Beinen, gegen das außerhalb der Schlangenhaut die Menge drängelte.
    Dies war die Frau, die mir beigebracht hatte, wie ich mich bewegen musste. Und ich bewegte

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