Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
mich. Mit einer flinken Drehung und einem entschuldigenden Ausruf tauchte ich zwischen zwei der Schlangentänzer. Die Tanzmistress war so dicht hinter mir, dass sie zwischen den nächsten beiden durchgeschlüpft sein musste. Ich hörte einen wütenden Ruf, gleich darauf brüllte ein zwölf Fuß großer Kohlendämon und spuckte eine schwarze Wolke zum Dröhnen seiner Gongs.
Mit den Schultern schob ich mich in eine andere Gruppe der Menge. Diese Leute gehörten zu einem der Grünhändlerhäuser, denn sie rochen nach Knoblauch und Zwiebeln. Fast wie Lilienzwiebel, dachte ich und fragte mich, ob vielleicht die Göttin sie geschickt hatte.
Ich achtete nicht darauf, ob mir die Tanzmistress zu folgen vermochte. Was die Kunst der raschen, perfekten Bewegung anging, war sie mir noch weit überlegen. Ich fürchtete nur, dass empörte Verfolger selbst noch durch die Schlange hindurch hinter uns her sein könnten. Auf der Straße galten seltsame Regeln, und Gerüchte reisten dort auf den merkwürdigsten Pfaden.
Während es mir ein Leichtes wäre, unterzutauchen, würde es unmöglich sein, ihre Teilnahme an dem Kampf zu leugnen.
Inmitten eines Hagels von Feuerwerkskörpern mit ihren roten und goldenen Wolken von Papierschnitzeln und dem Gestank nach Pulver schlüpften wir in eine Seitengasse. Obgleich der Lärm hier in der Enge zwischen den Mauern verstärkt wurde, waren wir allein.
Ich trat zurück in den Schatten, als sie hinter mir auftauchte. »Vielen Dank, Fremder«, begann sie, aber ich hob warnend die Hand.
Das Gebäude zu meiner Linken musste der Ragisthuri-Eis- und Brennmittelbunker sein und rechts das Warenlager der Wagnergilde. Eine Zufluchtsstätte befand sich in einer Bretterbude oben auf dem Bunker.
»Hinauf«, sagte ich und begann ein Fallrohr hochzuklettern.
Ich brauchte nicht zurückzublicken, ob sie mir folgte.
Sie kletterte hinter mir, und wir liefen über das Dach auf die kleine Hütte zu. Ich öffnete die klemmende Tür. Es gab kein Schloss an dieser Zufluchtsstätte. Drinnen befanden sich Leitern und Lumpen und Eimer – Sachen, die zu schwierig oder wertlos waren, um sie jedes Mal hochzuschaffen, wenn sie zur Reinigung des Daches gebraucht wurden. Viele unserer Zufluchtsstätten waren so unbeachtet wie diese.
Wir räumten die Sachen hinaus. Ich öffnete ein zusammengefaltetes Segeltuch, dann griff ich hinter ein loses Brett nach einem Beutel, der Nadeln und Faden und ein paar andere lebensrettende Dinge enthielt. Es gab auch ein Wassergefäß aus Ton. Die Hütte roch nach alter Farbe und modrigen Lumpen, aber sie war still und verborgen.
Die Tanzmistress trat mit mir ein. Zusammen brauchten wir den ganzen Platz. Zufluchtsstätten waren in der Regel sehr klein. Sie waren für eine Klinge gedacht, um Unterschlupf zu finden, bis Hilfe kam.
Ich hatte gerade den Ort dieser Zufluchtsstätte an einen Fremden verraten. Und ihre Existenz überhaupt.
Ich schob den Gedanken beiseite und griff an mein Gesicht. Selbst nach der hektischen Flucht durch die Menge saß meine Maske noch immer fest. Das Blut pochte in meinen Ohren, und ich zitterte. Ich holte tief Luft und versuchte, mich zu entspannen. »Du hättest beinahe das Leben verloren da unten, Nordländerin.«
»Noch einmal danke, Sir.« Sie atmete noch immer heftig. »Ich habe mich sehr ungeschickt verhalten.«
Sie hatte nie viel über ihr Volk gesprochen, aber ich erinnerte mich, dass ihre Leute aus den Wäldern hoch in den Bergen stammten. Fünf von ihnen an einem Ort waren schon eine Seltenheit, und zehn kämen einem Gedränge gleich. Ich erinnerte mich, wie ich mich bei meiner Ankunft in Kalimpura gefühlt hatte, und das war nicht während eines Festes gewesen. »Du hast in deinem Leben noch nie so viele Menschen an einem Ort gesehen.«
Ich war noch nicht bereit, mich zu erkennen zu geben. Ich wollte erst wissen, was sie hier machte. Die Liliengöttin musste diese Frau aus einem bestimmten Grund hergeschickt haben. Irgendetwas war im Gange.
Sie seufzte: »Ich habe nie so viele Menschen gesehen, selbst wenn ich alle Tage meines Lebens zusammenzähle. Aber sage mir nun, wer du bist, bitte.«
Denke wie eine Klinge, sagte ich zu mir selbst, und nicht wie eine einstige Schülerin dieser Frau. »Das ist meine Stadt. Du antwortest zuerst auf meine Fragen. Wer bist du, und was führt dich hierher?«
»Ich … suche etwas.« Sie blickte lange in meine verschleierten Augen. »Einen unbezahlbaren Smaragd, der vor einigen Jahren in Copper Downs gestohlen
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