Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
wurde.«
Mich.
Es lief mir kalt über den Rücken, während meine Augen und Ohren zu brennen begannen. Mich. Wofür wollten sie mich zurückhaben? Sie hatten mich versklavt, jahrelang eingesperrt, dann zum Töten losgeschickt. Was wollten sie jetzt noch von mir, nachdem sie mich benutzt und mein Leben zerstört hatten?
Das Gefühl, verraten zu sein, sprudelte in mir hoch wie Galle. »Hier wirst du es nicht finden!«, brüllte ich in Seliu.
Ich hatte nun das Messer in der Hand. Sie trat mich mit ihren mächtigen Beinen mit solcher Wucht, dass ich gegen die Tür geschmettert wurde und hinaus zwischen die Lumpen und Eimer fiel.
Mein Rücken schmerzte, meine Beine zitterten, und die Wunde am Oberarm machte sich wieder bemerkbar. Die Tanzmistress sprang aus der Hütte, gerade, als ich wieder auf die Beine kam. Ich schleuderte sie zur Seite und hechtete hinterher, warf mich auf ihre Beine, um sie von hinten am Hals zu fassen zu bekommen.
Sie wand sich aus meinen Armen und erwischte meinen rechten Schenkel mit einer Hand voll Krallen. Ich trat nach ihr, rutschte von ihr weg und hielt sie mit der Klinge auf Abstand, während ich aufstand.
Keuchend bewegten wir uns im Kreis. Keiner von uns hatte es auf die Augen oder die Kehle abgesehen gehabt. Es schien also Regeln zu geben. Zumindest, bis einer von uns dagegen verstieß. Ich würde nicht zulassen, dass sie mich tötete oder nach Copper Downs zurückbrachte.
Ich hatte schon einmal eine Lehrerin getötet.
Sie griff mit einer blitzschnellen Drehung auf einem Fuß an, aber ich kannte diese Bewegung noch aus alten Tagen. Die Tanzmistress hatte mich nie das Angreifen gelehrt, nur, mich zu verteidigen, und darin war ich immer noch besser als sie. Mit der Schulter voraus sprang ich in den Schwung ihres anderen Beines und rammte gegen ihre Brust. Das Messer wäre in ihren Bauch gedrungen, aber ich lenkte den Stoß hinab in ihren Schenkel.
Wir glitten auseinander.
»Du hast mich nicht getötet«, keuchte sie.
»Den Fehler werde ich nicht noch einmal machen.«
Wir kreisten einen Augenblick länger, beide nach Atem ringend, bevor wir in einem Wirbel von Schlägen wieder aufeinander losgingen. Ich versetzte ihr ein halbes Dutzend, aber sie traf mich härter, zweimal seitlich am Kopf, sodass ich auf die Knie fiel.
Dieses Mal presste mich die Tanzmistress mit ihrem Gewicht auf den Boden und öffnete die Krallen ihrer rechten Hand zum Todeshieb, während sie mit der linken Schleier und Maske von meinem Gesicht riss.
Der Schock des Erkennens war unübersehbar in ihrem Gesicht. »Green?«
»Niemals Smaragd«, fauchte ich. Ein Schluchzen schüttelte mich und ließ den roten Strom meiner Wut versiegen,
»Aufstehen!«, sagte jemand in Seliu. Ich blickte hoch und sah Mutter Vistha mit einem Trupp. Fünf Frauen mit gezogenen Schwertern. Eine von ihnen war Jappa.
Ich torkelte auf die Füße. »Ihr kommt gerade rechtzeitig, das …«
Mutter Visthas flache Klinge stieß vor und traf mich seitlich am Kopf, genau an der Stelle, an der mich die Tanzmistress getroffen hatte. Ich fiel wimmernd wieder auf die Knie.
Ihre Stimme klang hohl und fern in diesem Moment. »Unten herrscht Aufruhr, und der Ruf nach dem Tötungsrecht ist zu hören. Schlimmer noch ist, dass du eine Zufluchtsstätte an eine Fremde preisgegeben hast.« Mutter Visthas Atem blies heiß in mein Gesicht, als sie sich herabbeugte. Selbst in meiner Benommenheit konnte ich den Zorn in ihren Augen sehen. »Du hast heute zu viele Stängel geknickt, Green.«
Sie fesselten uns die Hände und führten uns an den Rand des Daches, wo uns feindselige Hände an Stricken hinabließen, bevor wir als Gefangene durch die tosende Stadt geführt wurden. Jeder Schritt brachte neuen Schmerz und vorwurfsvolle Blicke der Tanzmistress.
Bald danach waren wir in einer Zelle unter dem Tempel. Ich kannte diesen Raum nicht, obgleich er sich in demselben feuchten Korridor befand wie unsere Übungsräume. Ich hatte immer angenommen, dass die kleine Tür in ein Kämmerchen oder dergleichen führte.
Ich saß mit dem Rücken an die moosige Steinwand gelehnt. Die Tanzmistress hockte mir gegenüber an der Wand. Ein großer Wasserkrug stand zwischen uns und ein kleinerer Metalleimer für Schmutzwasser. Ein wenig Licht fiel durch das Guckloch in der Tür und durch den Spalt am Boden, aber davon abgesehen saßen wir in der Dunkelheit. Nach dem Kampf tat mir alles weh, was mich nicht weiter überraschte. Auch der Tanzmistress erging es nicht viel
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