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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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noch am Leben sein. Wir hatten vom Kapitän der Südlichen Freiheit dein Reiseziel erfahren und planten, den Prinzen der Stadt um deine Auslieferung zu bitten.«
    Da musste ich lachen. »Der Prinz der Stadt? Er ist nur ein Laffe mit noch weniger Macht als ein halbwegs erfolgreicher Krämer. Er sitzt auf einem Thron aus Lapislazuli und Silber, um Fremde zu beeindrucken, und verbringt seine Zeit damit, ihre Frauen zu verführen.«
    »Das können wir hier in Copper Downs natürlich nicht wissen«, sagte sie ein wenig schroff.
    »Nein. Petraeaner hören einen Titel und schließen daraus auf den Mann.«
    Sie erwiderte mein Lachen. »Du kannst deine Herkunft nicht verleugnen.«
    »Du ebenso wenig.«
    »Ja, vermutlich.« Sie atmete tief durch und setzte ihre Geschichte fort. »Inzwischen ist auf den Herzogsthron Anspruch erhoben worden, und es stellt eine wirkliche Bedrohung dar. Ein Bandenführer aus den Blauen Bergen ist im Anmarsch auf die Stadt. Er heißt Choybalsan. Er bedient sich zum Teil der alten Magie meines Volkes und hat ein halbes Dutzend unserer Rudel niedergemacht, als wir uns ihm in den Weg stellten.«
    »Oh …« Ich schritt um das Feuer herum und ergriff ihre Hand. »Es tut mir so leid. So viele Seelenpfade einfach ausgelöscht.«
    »Ja.« Sie entzog mir ihre Hand und rührte den Topf eine Weile um. »Wir sind jetzt nicht mehr viele. Wir waren es nie, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Aber jetzt wäre keine große Anstrengung mehr nötig, um uns für immer vom Antlitz der Welt zu tilgen.«
    Wir saßen eine Weile schweigend, bis die Tanzmistress den Faden ihrer Erzählung wieder aufgriff. »Choybalsan ist so tödlich für meine Rasse wie Feuer für einen Wald. Er hat auch die Götter gegen sich aufgebracht. Er scheint mit seiner Magie auch gegen sie ins Feld ziehen zu wollen.«
    »Hat er den Gott getötet?«
    »Göttin. Marya, die ihre Hand über die Sehnsüchte der Frauen hielt. Nein, er nicht. Wir sind nicht sicher, wer es getan hat – Schergen des Safranturmes oder eine dunklere Macht. Das ist es, was die Priester von Copper Downs am meisten beunruhigt.«
    Das konnte ich mir vorstellen.
    »Und damit«, fuhr sie fort, »kommen wir zu dir, der einzigen lebenden Person außer Choybalsan, welche die Magie, deren er sich nun bedient, beherrscht hat.«
    Zu Tode erschrocken fuhr ich zurück und schrie fast: »Ich habe sie nicht beherrscht!« Meine laute Stimme ließ den Steuermann Chowdry aufblicken und zu uns herübersehen.
    Die Tanzmistress schüttelte den Kopf. »Natürlich hast du das, als du den Herzog seines schützenden Zaubers beraubt hast.«
    Ich war so verzweifelt, dass ich sie verließ und eine lange Zeit mit einem Bootshaken trainierte, bis der Kapitän auftauchte und mich bat, mit der Zerstörung seiner Reling aufzuhören.
    Den größten Teil des Tages gingen wir uns aus dem Weg, aber was die Tanzmistress mir sagen wollte, war klar. Ich war die Letzte, die diese Macht vor Choybalsan benutzt hatte. Wenn jemand etwas gegen ihn ausrichten konnte, dann wahrscheinlich ich.
    Diese aus Verzweiflung geborene Schlussfolgerung entbehrte jeder Vernunft. Der Herzog hatte vier Jahrhunderte damit zugebracht, alle anderen Kräfte in seinem Reich zu unterdrücken. Er hatte selbst die Götter zum Schweigen gebracht. Wer könnte jetzt noch aufstehen und Copper Downs verteidigen?
    Nicht ich. Einen magiebesessenen Despoten zu stürzen reichte mir fürs ganze Leben und die nächsten paar Umdrehungen auf dem Rad dazu.
    Schließlich erreichten wir die Schifffahrtsstraßen. Ich hatte mich an Utavi und seine Mannschaft gewöhnt – an den nervös grinsenden Chowdry, Utavis riesenhaften Lustknaben Tullah und alle anderen, aber ich wollte so rasch wie möglich zur Steinküste gelangen. In den Untiefen von Bhopura zu kreuzen brachte uns nicht weiter. Während der Fahrt hatten unsere Gastgeber mehrmals bis spät in die Nacht debattiert. Es beunruhigte mich, aber sie verschwiegen uns, worum es dabei ging.
    Der Kapitän machte aus seinem Unwillen weniger ein Geheimnis. Ich glaube, Utavi hätte uns verkauft, wenn ein Käufer da gewesen wäre, obgleich ihn unser selbstbewusstes Auftreten und die Furcht vor Mutter Vajpai eigentlich von solch einem Vorhaben abhalten sollte.
    Schließlich fuhr er uns doch hinaus in die für die Chittachai ungewohnten tieferen Gewässer, wo wir auf den überseeischen Schiffsverkehr stoßen konnten. Die Männer wurden unruhig auf dem offenen Meer, doch Geld war Geld, und sie verdienten in wenig mehr

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