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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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und in deinen Tempel zurückkehren. Wenn ihr Zorn verraucht ist, werden sie dich wahrscheinlich auch wieder aufnehmen. Es ist deine Entscheidung. Aber ich bitte dich um deine Hilfe. Um meinetwillen und um der Stadt willen.«
    »Steh auf, steh doch auf.« Ich errötete vor Verlegenheit. Die Göttin mochte wissen, was der Steuermann dachte. »Die Göttin hat mich gesandt. Natürlich begleite ich dich.«
    »Als du dem Herzog die Beschwörungsworte gesagt hast«, meinte die Tanzmistress am nächsten Nachmittag, als wir bei einem Topf Fischsuppe saßen, »was hast du da gesehen und gespürt? Wo hat es stattgefunden?«
    »W … wir waren in einem Verhandlungsraum.« Die Erinnerung war intensiv und schwer in Worte zu fassen, denn damals hatte ich es mir noch nicht zur Gewohnheit gemacht, Ereignisse niederzuschreiben. »Ich sah keinen Thron. Es war kein Audienzraum, eher ein Ort, an dem sich Männer treffen, um über Zahlen zu reden und zu einer Übereinkunft zu kommen. Er spielte eine Weile mit mir. Dann sprang ich auf ihn und sprach die Worte, die du mir gesagt hattest.« Ich holte tief Luft, und es fühlte sich trotz der glühenden Sonne eiskalt an. »Dann war er fort.«
    »Ich weiß, dass er nicht mehr da ist. Aber seine Macht ist noch hier.«
    »Das kann nicht sein. Diese Macht wirbelte um mich wie ein Sturm aus Staub und Luft und griff nach mir mit tausend kleinen Fingern. Dann stob seine Macht heulend davon und nahm ihn mit sich.«
    »Wir haben nicht alle Aspekte unseres Kampfes bedacht.« Die Tanzmistress sprach traurig und schleppend. »Leute kamen, um den frei gewordenen Thron zu beanspruchen. Aber sie wollten nicht die herzogliche Krone, sondern die Macht, die wie ein Sargtuch über Copper Downs lag. Ich war gezwungen, es mit einem dieser Priester selbst aufzunehmen.« Eine stumme Qual war einen Moment lang in ihren Augen. »Der Preis war hoch.«
    »Es tut mir leid«, sagte ich.
    »Nein, nein. Es muss getan werden. Seit der Abwesenheit des Herzogs erwachen die Götter aus ihrer langen Ruhe. Mindestens einer ist inzwischen getötet worden.«
    »Getötet!?« Ich hielt inne. »Verzeih die Unterbrechung, Mistress, aber es ergibt keinen Sinn, Götter zu töten.«
    »Sie sind ganz offensichtlich anderer Meinung.« Sie lächelte schief. »Es ist etwas, das machbar ist. Mit den richtigen Vorbereitungen und der richtigen Macht.«
    »Kein Wunder, dass die Liliengöttin Angst hat«, stellte ich fest. »Selbst wenn allein der Gedanke über das Sturmmeer gelangt, ist Sie in Gefahr. Ganz zu schweigen von der Waffe, die das vollbringen kann.«
    »Oh, es ist natürlich viel komplizierter und hängt nicht nur von einer Waffe ab.« Die Tanzmistress runzelte die Stirn. »Ich kenne das Geheimnis selbst nicht und möchte mit solch einem Wissen auch nichts zu tun haben, aber der Übergangsrat hat mehr als einmal darüber beraten.«
    »Übergangsrat?« Schon allein der Klang dieses Titels beunruhigte mich. Ich hatte genug Geschichte gelesen, um es besser zu wissen.
    »Als der Herzog gestürzt war«, sagte sie düster, »ergriff Federo mit einigen der großen Händler-Faktoren die Initiative dazu. Unser kleiner Plan war geheim, aber allgemeine Unzufriedenheit schwelte während der Herrschaft des Herzogs hinter verschlossenen Türen in Copper Downs. Es war nicht schwer, Leute zu finden, die dachten, sie wären geeignet.«
    »Ich nehme an, dass sich nach vierhundert Jahren kein Erbe mehr gefunden hat.«
    »Nein. Nein, es gab keine Spur des alten Herrscherhauses mehr. Der Herzog hatte alle unmittelbaren und entfernten Verwandten getötet, ehe sie Gelegenheit hatten, an Altersschwäche zu sterben, sodass gar nicht erst ein Anspruch erhoben werden konnte. Das war Teil der Strategie, seine Macht zu sichern.«
    »Euer Rat regiert jetzt die Stadt?« Ich fand die Vorstellung faszinierend, dass die Tanzmistress, diese stille Frau, die immer im Schatten wandelte, an einem Regierungstisch saß.
    »Mehr oder weniger. Die Götter regten sich nach ihrem langen Schweigen, die Priester zanken sich, und unsere Bruderstaaten entlang der Steinküste haben alle möglichen grotesken Rechte und Belange an sich gerissen.«
    »Bist du auf diese Reise geschickt worden, damit sie dich aus der Stadt haben?«, fragte ich sie.
    »Ich habe darauf bestanden, diese Mission allein zu unternehmen.« Sie lächelte erneut, dieses Mal mit ehrlicher Zuneigung. »Der Rat hätte eine Gesandtschaft mit einem Erlass auf den Weg gebracht, deine Auslieferung zu fordern, solltest du

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