Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
Vom Netzwerk:
trotzdem gern noch eine Weile unerkannt bleiben, für den Fall, dass jemand sich allzu gut erinnert oder noch immer nach Rache dürstet.«
    Stoff und Gewicht meiner auf dem Schiff angefertigten Verkleidung waren unbequem und ermüdend. Ich würde der Tanzmistress eine Hand voll Silbertaels für die neue schulden, die sie für mich bestellt hatte.
    Während wir auf die Fertigstellung meiner Einkäufe warteten, nutzten wir die Zeit. Die Tanzmistress zeigte mir das Gelände, wo sie dem Priester in den Tagen nach dem Sturz des Herzogs begegnet war. Sie erzählte mir die Geschichte, wie sie und eine Schar ihres Volkes ihn jagten.
    »Noch mehr unserer Magie in verantwortungsloser Hand«, sagte sie traurig. »Er war ein Vorläufer dieses Choybalsans.«
    Nichts Göttliches und nicht Menschliches regte sich in dem kleinen, wieder in Besitz genommenen Dorf unter den Weiden des schon lange verlassenen Anwesens.
    Ich sah Getreidespeicher und Schlachthöfe und die fünf Zeughäuser der Stadt, sah Straßen voll der armseligsten Armen, die sich hier selbst nicht Bettler nannten, und ich sah die stillen Prachtstraßen an den hohen Mauern und Toren der Reichen. Wir besuchten die Kais. Es gab hier keine alles verbindende Avenue der Schiffe wie in Kalimpura. Wir kamen an Lagerhäusern vorbei, an Fabriken, Börsen, Märkten, Wechselstuben, Geldverleihern, öffentlichen Stahlkammern und all den anderen Bestandteilen des Handels in einer großen Stadt. Ebenso sahen wir ihre Trockendocks, wo Schiffe gebaut und repariert wurden, ihre Parks, Müllhalden, die alten, jetzt zugemauerten und vergessenen Minenschächte. Und wir kamen am Herzogspalast vorbei.
    Ich fühlte mich wie eine Reisende, die zum ersten Mal wieder nach Hause zurückkehrte. Beides stimmte natürlich nicht. Ich war keine gewöhnliche Reisende, und obgleich ich eine lange Zeit hier gewohnt hatte, war die Stadt nie mein Zuhause gewesen.
    Das Seltsamste aber war, dass all diese Gedanken an Reisen und Orte und Namen in mir eine Sehnsucht nach meiner Glöckchenseide weckten. Verständlicher war, dass ich mich nachts in meinem leeren Bett nach den Armen einer Frau sehnte und nach einem Ort, an dem ich frei und sicher aus hingebungsvoller Hand die Peitsche wieder spüren könnte.
    »Wo können hier Frauen andere Frauen treffen?«, fragte ich die Tanzmistress, als wir die Straße der Advokaten hinabschritten.
    »Wo immer welche sind, schätze ich.«
    »Nein, ich meine, zum Vergnügen. Wenn eine Frau von einer anderen gepeitscht oder geliebt werden möchte, wo geht sie dann hin?«
    »Ich bin nicht sicher.«
    Die Tanzmistress war verlegen. Ich lachte darüber und fing an, die Blicke der kräftigeren Frauen auf mich zu ziehen, die mir begegneten. Einige erwiderten meinen Blick durchaus verheißungsvoll, aber ich würde erst sichere Bedingungen und einen sicheren Ort dafür schaffen müssen.
    Ich hatte die Annehmlichkeiten, die der Frauenorden der Lilienklingen bot, nicht gewürdigt, bis sie für mich verloren waren.
    Ich wechselte das Thema. »Ich habe einige der Poster Choybalsans gesehen, aber sie vermitteln mir hauptsächlich den Eindruck, dass dieser Banditenkönig einen Freund mit einer Druckerpresse hat. Diese Stadt hat schon bessere Zeiten erlebt, aber die Lage ist nicht verzweifelt.«
    »Das wird sie bald sein«, erwiderte sie. »Hast du die Nachrichtenblätter im Buchladen in der Drahtzieherstraße gesehen? Choybalsans Männer haben die Altäre im Tempel der Luft am Eirigenepass zerstört.«
    Ich wusste dank meiner Schulung mehr über die Geographie der Steinküste, als ich im Grunde wollte. »Dann wären es kaum noch drei Tage bis Copper Downs, wenn er beritten über die Gerstenstraße anrückt.«
    »Ja. Ist dir aufgefallen, dass die Schiffe im Hafen nur beladen werden? Fast nichts wird entladen.«
    Ich überlegte einen Moment. »Ja, das ist mir aufgefallen, aber mir ist die Bedeutung nicht klar.«
    »Verladen bedeutet auf jeden Fall Arbeit für die Hafenarbeiter und Tagelöhner. Aber für jemanden, der in der Regierung sitzt, sind das schlechte Neuigkeiten, denn die sonst schweigsamen Männer hinter den Geschäftsbüchern erklären jedem, der es hören will, wie wichtig der Ausgleich des Handels ist. Selbst die Nachrichtenblätter sind jetzt voll davon. In den vergangenen Jahren konnte man den meisten Petraeanern nicht verständlich machen, warum das Geld nicht überall auf der Welt dasselbe ist. Harte Zeiten schärfen den Verstand.«
    »Warum ist niemand

Weitere Kostenlose Bücher