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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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war zu aufgewühlt, um das Fallrohr hinabzuklettern. Die Tanzmistress führte mich zum Haupttor und einer kleinen, mit Laub und Schutt übersäten, aber noch gangbaren Stiege. Wir gelangten auf eine schmale Gasse, die einst der Zugang von der Straße zu dem fensterlosen zentralen Turm gewesen sein mochte. Ich blickte hoch und versuchte, mir die Männer vorzustellen, die sich dort aufgehalten hatten. Was sie dachten und fühlten und weshalb sie so viele Mädchen und Frauen so grausam getötet hatten. Ich wusste, was das für Männer waren. Solche wie die vier, die mir heute meinen Beutel abzunehmen versucht hatten. Nicht die eleganten Wachen, die mit verbundenen Augen die Kutsche des Faktors geleitet hatten, sondern brutale Kerle, die glaubten, die Faust habe immer Recht.
    Was dachten solche Männer, was geschehen würde, wenn sie alt und gebrechlich wurden? Gehörte die Welt immer den Starken?
    Die Anzahl meiner Toten hatte sich eben mit den Frauen und Mädchen aus dem Haus des Faktors mehr als verdoppelt.
    Ich spürte, dass mich die Tanzmistress am Arm ergriff. »Wir gehen jetzt in den Untergrund«, sagte sie. »Dann sind wir nicht länger im Regen.«
    »Es ist nur Wasser.« Ich versuchte ein Lächeln. »Ich habe gehört, dass es die Sünden fortwäscht.«
    »Mein Volk glaubt nicht an Sünde«, sagte sie ernst. »Es gibt nur Umstände und Entscheidungen. Green, du hattest keinen Anteil an Umständen oder Entscheidungen, als das Unheil über diesen Ort hereinbrach.«
    Ich nickte, weil sie das erwartete. Als wir auf die Straße gelangten, sah ich etwas aus den Augenwinkeln. Ich blickte zu dem fensterlosen Turm zurück. Dort stand jemand, halb verborgen hinter dem dichten Regen.
    Ich klopfte den Kampfcode für plötzliche Feinderkennung auf den Arm der Tanzmistress und rannte auf die Gestalt zu.
    Ich hörte sie fluchen und erkannte, dass ich ein Signal der Lilienklingen benutzt hatte, das ihr unbekannt sein musste. Dennoch folgte sie mir.
    Wer immer es war, er schien sich zurückzuziehen, als ich näher kam. Aber ich konnte keine Bewegung ausmachen. Plötzlich war ich durch den wirbelnden Regenvorhang, und vor mir stand der Faktor – der Herzog – im zertrümmerten Eingang des Turmes. Sein Gesicht war grau wie seine zerrissenen Kleider.
    Er schien überrascht zu sein, mich zu sehen. Dann hob er eine Hand abwehrend und verschwand in der Dunkelheit des Einganges.
    Er war fort.
    Die Tanzmistress holte mich ein. »Was?«
    Zitternd sagte ich: »Der Faktor war eben noch hier.« Und warum auch nicht? »Er war schon lange tot, bevor ich ihm deine Worte ins Ohr flüsterte, Mistress. Er ist es sicher noch.«
    Wie ein Gott, dachte ich plötzlich. Geister und Götter waren nicht so verschieden, besonders, da der größte Teil ihrer Macht daher rührte, wie sehr ein Mensch an sie glaubte. Wie bei den Tulpas?
    »Ein Trugbildzauber.« Sie berührte mein Gesicht und blickte mir im grauen Licht des regnerischen Nachmittags in die Augen.
    Ich starrte die kahle Blausteinmauer empor und war geneigt, ihr zuzustimmen.
    Während der nächsten Tage besuchten die Tanzmistress und ich verschiedene Teile der Stadt. Ich wollte Copper Downs bei Tage sehen, wenn ich nicht gerade vor sich zusammenrottenden Volksmassen fliehen musste. Ich wollte erkennen, was die Stadt alles zu bieten hatte. Gleichzeitig versorgten wir uns mithilfe des Gelds, das sie noch übrig hatte, mit einigen notwendigen Dingen.
    »Ich kann den Übergangsrat nicht mehr lange vertrösten«, meinte sie. »Nur Federos Abwesenheit machte es mir möglich, mich länger als einen Tag fernzuhalten.«
    »Wo ist er?« Wir waren unten im Hafenmarkt und aßen ein wässriges, typisch nördliches Curry aus einem klumpigen Kürbis und geschmortem Geflügel. Ich bin der Meinung, diesen Petraeanern sollte es untersagt werden, das Wort Curry für derlei zu benutzen, selbst wenn jemand Masalapulver in der Umgebung des Topfes geschwenkt hatte, als sie sich an die Zubereitung machten.
    »Im Auftrag des Rates auf der Suche nach Unterstützung im Kampf gegen Choybalsan.«
    »Houghharrow oder Dun Cranmoor?«
    »Ich wollte, es wäre so. Nein, er klappert Fischer- und Bauerndörfer ab. Die anderen Städte der Steinküste nehmen diesen Banditen noch nicht ernst genug. Federo rekrutiert seine Männer in kleinen Gruppen bei kleinen Leuten mit kleinen Problemen, die nie über die nächste Biegung ihrer Straße hinausgeblickt haben.«
    »Ein ziemliches Problem«, sagte ich. »Aber nicht meines. Ich würde

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