Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
Kleidung, im Gegensatz zu den Stadtbewohnern wie dem Tavernenwirt und der Tanzmistress.
»Du bist mitten in einer Schlacht?«, fragte der Rektifizierer höflich.
»Könnte man sagen.« Ich sah keinen Sinn, darum herumzureden. »Ich versuche, den Banditenkönig aufzuhalten, der euer Volk fast ausrottet. Wir hoffen, ihn heute noch zu überrumpeln.«
»Dann habt ihr eine Armee?«, fragte die braune Frau.
»Nein. Aber er ist heute verkleidet in der Stadt und hat auch seine Armee zurückgelassen.« Meine nächsten Worte steckten mir im Hals, aber ich stieß sie trotzdem hervor. »Ich habe bereits gegen ihn gekämpft, mit der Tanzmistress an meiner Seite. Wir konnten unser Leben retten und fliehen. Ich glaube, ich weiß jetzt, wie ich ihm beikommen kann.«
Der Rektifizierer grinste breit. »Sag mir, wo dieser Kampf stattfinden wird, sodass ich diesem Ort zu der Zeit aus dem Weg gehen kann.«
»Die Stoffbörse. Kurz vor Sonnenuntergang.« Ich legte meine Hände flach auf den Tisch. »Ich habe einen Verbündeten, der auf der Suche nach einem Helfer ist, der es mit Choybalsan aufnehmen kann. Mehr Sorge bereitet mir, welchen weltlichen Schutz er um sich geschart hat. Dieser Schild muss fallen, bevor wir ihn bezwingen können.«
»Dann möchtest du also die Stadtwachen angreifen«, stellte die braune Frau fest. »Wenn sie dich niederschlagen und unter dem Büßerturm einkerkern, wird das das Ende deines Plans sein.«
»Wenn wir Erfolg haben, bedeutet es Frieden für Copper Downs und euer Volk«, erwiderte ich ohne Zögern. »Wenn wir scheitern, glaube ich nicht, dass wir so lange leben, dass wir noch einen Kerker sehen werden.«
»Geh und sammle deine Mitstreiter um dich«, sagte der Rektifizierer. »Wir werden eine Weile darüber nachdenken.«
Dann kam Chowdry mit dem Curry: Massamancurry mit Fisch, Koriander und Hanchu-Petersilie über gedämpftem Reis. Es fand begeisterten Empfang in meinem knurrenden Magen und erinnerte mich an die heiße, feuchte Luft Selistans. Ich sprach kaum ein Wort, während ich aß. Die Genetten schwiegen vollkommen.
Die Portion stillte meinen Hunger.
Als ich die Schale geleert hatte, stand ich auf und verbeugte mich. »Manchmal zahlt es sich aus, auf der Seite des Guten zu sein.«
»Wenn man nur immer wüsste, welche Seite das ist«, erwiderte die braune Frau.
Ich nickte beiden zu und ging.
Der Kern des Problems drehte sich wieder um Hautlos, und damit auch der Keim meiner Lösung. Mutter Eisen und die anderen Sendlinge mochten wohl in der Lage sein, Choybalsan anzugreifen und zu Fall zu bringen, aber Schwarzbluts Avatar besaß die grausame Macht des Gottes. Der Avatar war fast eine vollständige Manifestation. Und Choybalsans Macht war weitaus größer als die einer nördlichen Tulpa. Der Gott hüllte sich in den Mann wie in ein Kleidungsstück.
Ich glaubte nicht, dass mir Schwarzblut jetzt noch von Nutzen sein würde. Ich hatte wenigstens zwei seiner Priester in den Bädern getötet. Seine Anhängerschaft war nicht zahlreich. Wie viel hatte ich ihm genommen?
Die Vernunft sagte mir, dass unter diesen Umständen allein die Annäherung an den Tempel der Algesien an Selbstmord grenzte.
All meine Hoffnungen auf Erfolg im bevorstehenden Kampf drängten mich, es trotzdem zu tun.
Ich näherte mich dem Tempelbezirk auf Umwegen, während ich mich zu überzeugen suchte, dass dieser Schritt unumgänglich war. Ich betete um Rat. Die Liliengöttin ließ sich nie herab, mir in solch einer Lage über die Segnung meiner fortdauernden Existenz hinaus ein Zeichen zu senden.
Septio konnte mir nicht raten. Ebenso wenig die Tanzmistress. Die Klingenmütter waren nicht hier.
Am Ende wandte ich mich an meine ältesten Ratgeber. Was würde mir Ausdauer raten? Was würde mir meine Großmutter raten?
Da wusste ich, dass ich einen Weg finden musste, all dies zu einem guten Ende zu bringen. Was immer es mich kosten mochte. Ich musste diese Stadt retten.
Ich fand einen stillen Park ein paar Blocks vom Tempelbezirk entfernt. Er war nicht viel mehr als ein unbebauter, mit Ulmen und Rhododendrenbüschen bepflanzter Platz. Eine Stele erinnerte in der Mitte einer Grasfläche an eine längst verstorbene Persönlichkeit.
Ich ging an ihr vorüber und setzte mich im hintersten Winkel unter einen Baum. Dort spielte ich mit der Glocke. Ich fragte mich, warum ich sie jetzt bei mir trug.
Um dich daran zu erinnern, was du verloren hast, sagte eine Stimme in meinem Kopf. Was jedes Kind verliert, selbst wenn es sein
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