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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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ganzes Leben bei seiner Mutter verbringt.
    Die Stimme war so klar, dass ich mich umsah, ob jemand in meiner Nähe stand. Es war das Gewissen, nahm ich an. Oder meine Göttin, die mir endlich antwortete.
    Ich war noch immer besorgt, doch nicht mehr so sehr. Ich empfand auch Trost. Wie ein Gebet, das zurückkam und meiner Seele Nahrung gab. War es solcherart für die Tempelmutter gewesen? Ein Gefäß zu sein, nicht für die Befriedigung einer Priesterin, sondern für die Göttin selbst?
    Ich blickte zum Himmel und sah, dass ich nur noch eine Stunde Zeit hatte. Ich musste mich sofort auf den Weg machen. Ich verließ den Park und ging raschen Schrittes zum Tempelbezirk und zur Straße der Horizonte. Ich würde Schwarzblut in seinem eigenen Haus besuchen und ihm vom Tod seiner Priester berichten.
    Du hast den Pater Primus getötet, sagte die Stimme. Aber hatte er sich nicht auch gegen seinen eigenen Gott verschworen?
    Die mächtigen, metallenen Tore des Tempels des Peingottes waren verschlossen. Es gab keine Griffe an der Außenseite. Anzuklopfen erschien mir nicht die beste Idee zu sein.
    Ich trat zurück und studierte die schwarz geflieste Fassade des Gebäudes. Ich konnte sie sicherlich erklimmen, aber die Gerüchte vom bevorstehenden Krieg hatten eine Anzahl von Menschen auf der Suche nach Trost und Rat auf die Straße getrieben. Ein Aufstieg wäre mir denn doch zu öffentlich erschienen.
    Zur Rechten stieß der Tempel fast an ein klotziges, braunes Gebäude mit einer plumpen Säulenfassade, das älter aussah als alles ringsum. Auf der linken Seite trennte eine schmale Kluft den Peingotttempel von einer weißen Stuckmauer mit einem vergoldeten Giebel.
    Das sah viel versprechend aus. Ich glitt hinein.
    In der Düsternis sah ich einen Graben zwischen zwei Ziegelmauern, der von Glasscherben, kaputten Möbeln und anderen Abfällen übersät war. Eine sonderbare Müllgrube.
    Aber es war eine Öffnung, in der ich emporklettern konnte. Ich stemmte mich mit dem Rücken gegen die Nachbarsmauer und mit den Händen und Füßen gegen Schwarzbluts Mauer und begann meinen Aufstieg.
    Kein Wunder, dass dieses Heiligtum keine Fenster besaß. Außer am Dach war gar kein Platz dafür. Ich geriet bei den eisernen Dachtraufen ins Schwitzen, doch dann hatte ich die breiten, niedrigen Fenster eines Dachaufsatzes vor mir.
    Ich versuchte, mich an die Tiefe da drinnen zu erinnern. Dreißig Fuß, auch nach Einberechnung der Eingangsstufen von der Straßenhöhe. Banner hingen tief hinab, ein Abstieg war also möglich.
    Bei genauerer Untersuchung sah ich, dass die Fenster Scharniere zum Öffnen hatten, vermutlich wegen der sommerlichen Hitze. Das Holz hatte schon lange keine Farbe mehr gesehen, wenigstens nicht zu meinen Lebzeiten. Das Problem würde sein, eines aufzubekommen, ohne dass das Glas zerbrach oder die alten Scharniere einen Höllenlärm verursachten.
    Mit einer lautlosen Entschuldigung an den unbekannten Messerschmied fuhr ich mit der Spitze meines Ausbeinmessers um den Rand eines Fensters herum. Es stieß an zwei Stellen auf festen Widerstand, deshalb versuchte ich das nächste. Vier weitere Fenster erprobte ich, bevor ich eines fand, das nicht von innen verriegelt war.
    Ich arbeitete sehr langsam, um es zu lockern und nach außen zu ziehen. Die Scharniere sperrten sich, knarrten und gaben mit einem Knacken und einer Rostwolke nach. Lautlos fluchend öffnete ich den Rahmen bis über den rechten Winkel. Ich steckte das Messer ein, legte die Glocke neben die Öffnung und hielt das Fenster mit meiner linken Hand, während ich meinen nächsten Schritt überlegte.
    Ich kroch hinein zu einem Deckensparren, der quer durch das Innere des Dachaufsatzes verlief. Unter mir unterhielten sich drei Männer in Straßenkleidung neben dem langen Quecksilberbecken.
    Rasch holte ich meine Glocke herein und schloss das Fenster hinter mir. Als ich wieder hinunterblickte, starrten die Männer zu mir hoch. Einer hatte eine Pistole in der Hand, die anderen beiden waren unbewaffnet. Ich konnte die Frage sehen, die sich in ihren Köpfen formte.
    Es gab keinen besseren Augenblick. Ich warf meine Glocke in die Richtung des Quecksilberbeckens und sprang mit vorgestreckter Klinge auf den Pistolenträger hinab.
    Dreißig Fuß ist ein langer Fall, vor allem auf einen Gegner zu, der nicht mehr überrascht ist und bereits mit seiner Waffe zielt. Er drückte ab. Etwas schlug hart in meine linke Schulter. Ich wurde im Sprung herumgerissen.
    Ich landete auf dem

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