Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
sich in ihrer Lust. Vater Sonnenknochen erhob sich mit feurigen Lenden von seinem Bett und sprang in den Himmel. Vieles, das auf der Welt schlecht ist, rührt von diesem frühen Erwachen her, aber das Gute vielleicht auch. In ihren Gemächern gebar Begierde Töchter von jeder Rasse. Sie lehrte sie alles, was sie wusste – welche Geschöpfe im Garten herangewachsen waren, die Namen und Kräfte ihrer Brüder und Schwestern, die Beständigkeit von Mutter Mondaugen und ihren unveränderlichen Zyklen. Dann schickte sie sie in die Welt, um über die Frauen der beseelten Rassen zu wachen, denen sie in der Unschuld ihrer Lust Unrecht getan hatte.
Seither machten es die Göttinnen zu ihrer Aufgabe, Frauen vor den Nachstellungen von Männern zu schützen und die männlichen Triebe zu beherrschen. Das Band der Ehe vermag, wenn gut geknüpft, einen Mann an das Bett einer Frau zu binden. Eine Münze für eine Stunde der Lust wird ihm Erleichterung bringen. Die Entscheidung einiger Frauen, nur mit anderen Frauen das Lager zu teilen, bietet eine weitere gefahrlose Annehmlichkeit. Diese Göttinnen wachen ohne Unterlass über den Schultern der Frauen, denn es steht immer ein zorniger Mann oder sein Gott am Fenster. Deshalb haben die Tempel der Frauen dicke Mauern und feste Türen.
Den Winter verbrachte ich mit Büchern und Kochen, doch im folgenden Frühling fand die Tanzmistress eine viel bessere Art und Weise, mich zu beschäftigen. Unsere nächtlichen Rundläufe im Hof waren inzwischen Routine geworden und erstreckten sich manchmal über Stunden. Sie hieß mich auch auf den Granatapfelbaum klettern, wobei sie die Zeit maß, um festzustellen, wie schnell ich war und um wie viel ich meine bisherigen Rekorde verbesserte. Wir tanzten entlang einer Holzstange, die sie in den Übungsraum brachte, entlang einer Reihe von Pflastersteinen im Hof und die Treppen auf und ab, bis Mistress Tirelle uns aus Angst, wir würden ihr Haus kaputt machen, mit lauter Stimme Einhalt gebot.
Das alles machte großen Spaß und raubte mir meine Kraft fast ebenso schnell, wie es mir beständig wachsende Energie zurückgab.
»Hier«, sagte sie, als wir hinter dem Baum standen, wo uns vom Hof aus niemand sehen konnte.
Ich öffnete den Beutel. Darin befanden sich mehrere schwarze Stoffbündel.
»Klettere auf den Baum und befestige diese an den Ästen, aber verstecke sie so, dass sie niemand vom Boden oder dem Balkon aus entdecken kann.«
»Vor Mistress Tirelle?« Ich verbarg nichts, nicht einmal meine Darmtätigkeit vor der Entenfrau. Nur meine Gedanken gehörten mir allein. Manchmal war ich mir jedoch nicht einmal dessen sicher.
»Verstecke sie vor gar niemandem«, sagte die Tanzmistress. »Vor niemandem und jedem.«
Ich kletterte. Ich versteckte sie, denn ich war inzwischen mit dem Baum so vertraut wie mit meinen Betttüchern. Ich hielt inne und überlegte und kletterte dann hinab. »Was immer du damit vorhast, es ist nicht für den Abend geplant, wenn Mistress Tirelle herausschaut und auf meine Rückkehr wartet.«
»Nein.« Ihre Zähne blitzten hinter einem kleinen Lächeln auf.
»Für wann dann?«
»Das wirst du schon wissen.«
Dann rannten wir eine Weile und ich vollführte eine Rolle in Richtung jeder Ecke des Hofes.
In dieser Woche liefen wir jeden Abend, bis meine Beine nachgaben und der Atem in meiner Brust brannte. Jeden Abend fiel ich ins Bett und fragte mich, woher ich wissen sollte, wann der Zeitpunkt für das Treffen mit der Tanzmistress und ihren geheimnisvollen schwarzen Bündeln gekommen war. Ich war klug genug, sie nicht während des Tages wieder herunterzuholen, wenn mir das Klettern am Baum Prügel eintragen würde. Unsere abendliche Arbeit draußen wurde oft genug beobachtet, sodass ich gar nicht erst versuchte, die Sprache darauf zu bringen.
Als sich das Rätsel von selbst löste, fragte ich mich, wie langsam ich gewesen war. Ich brühte gerade einen Rindentee für Mistress Tirelle auf, als mir klar wurde, wann ich die Tanzmistress treffen würde. Ich krümelte einige Passionsblumenblätter in den Aufguss, um den Schlaf der Entenfrau zu vertiefen; wir hatten erneut den Unterschied zwischen Geschmack, Genuss, Medizin und Gift diskutiert. Dann trank ich eine große Menge Quellwasser, sodass mich der Druck meiner Blase eine oder zwei Stunden nach dem Zubettgehen aufwecken würde.
An diesem Abend gab es weder Schläge noch eine Strafpredigt. Ich lag in meinem Bett, bis ich Mistress Tirelles Schnarchen hören konnte. Sie atmete
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