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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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die Tiere mit heißem Blut auf, die jagen und vom Fleisch der anderen leben würden, wenn sie unter dem wohlwollenden Augen Vater Sonnenknochens in die Welt schlichen.
    Mutter Mondaugen wusste, dass sie zur Ernte ihren Gemahl wecken musste. Wie alle Männer würde sich Vater Sonnenknochen von seinen Lenden ebenso leiten lassen wie von seinem Kopf. Sie schob diesen gefürchteten Tag so weit hinaus, wie es möglich war.
    Im Westen des Gartens wuchsen die Beseelten. Alle lagen schlafend auf Betten aus weichem Laub. Alle wurden von kleinen Quellen gewässert und gereinigt. Sie genossen Mutter Mondaugens besondere Pflege, sodass sie einst die Welt bevölkern und glücklich sein würden. Hier gab es Menschen in allen Farben und Formen – Elfen und Zwerge, Nixen, Feen und Kobolde, Riesen und Trolle – all die vielen Einfälle, die Mutter Mondaugen in den langen Schatten des Morgens der Welt verwirklicht hatte.
    So wie die Menschen ihre Geschwister hatten, besaßen auch Mutter Mondaugens Kinder die ihren. Begierde tollte mit Liebe und Verständnis, den Zwillingen Wahrheit und Mitleid, mit Gerechtigkeit, Gehorsam und allen ihren Schwestern. Draußen vor den Fenstern auf den Wiesen der Elfenbeinhallen rauften und kämpften und jagten ihre Brüder einander mit Pfeilen, deren Spitzen aus Himmelseisen bestanden.
    Während Begierde die Jungen beim Spielen beobachtete, wuchs in ihr das Verlangen nach ihrem Bruder Zeit. Er war ein lebhafter Bursche, kräftig mit all den Jahren der Welt auf seinen breiten Schultern. Eines Tages, als Mutter Mondaugen im Himmel unterwegs war, lud Begierde Zeit in ihre Gemächer ein.
    »Bruder, komm, ich will dir ein Spiel zeigen«, sagte sie, als sie sich auf der Westtreppe trafen. Begierde ließ ihre Zunge über ihre Lippen gleiten, sodass Zeit ihre Absichten nicht missverstehen konnte.
    »Ist es ein männliches Spiel?«, fragte er, denn Männer werden von ihren Lenden beherrscht, und diese Lenden haben nur zwei kleine Gehirne von der Größe einer Olive, weshalb Denken nicht ihre Stärke ist.
    Begierde berührte ihre Brust und lächelte. »Das männlichste von allen.« Sicher konnte er das nicht missverstehen.
    »Dann rufe ich meine Brüder!«, rief Zeit aus und wandte sich ab, um das zu tun.
    Begierde ergriff ihn am Arm und zog ihn zu sich, während sie mit ihrer anderen Hand sein Geschlecht berührte. »Ein ganz persönliches Spiel zwischen Mann und Frau«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    Endlich begann Zeit zu verstehen, was sie von ihm wollte. Er folgte Begierde in ihre Gemächer, doch er war so stürmisch in seinem Verlangen, dass er ihr Kleid herunterriss und mit achtlosen Stößen nichts als seine Befriedigung suchte. Sie trieb ihn mit heftigen Worten aus ihren Gemächern bis auf die Westtreppe. Dort trollte er sich lachend.
    Begierdes Brüste hoben und senkten sich schwer vor Verlangen, und ihre Lenden waren entflammt von der kurzen Berührung ihres Bruders Zeit. Sie begab sich in den westlichen Teil des Gartens, wo die Beseelten auf ihren Laubbetten ruhten. Sie teilte das Lager mit einem nach dem anderen, Männern und Frauen gleichermaßen, um ihr Verlangen zu stillen. Alle lächelten im Schlaf, als sie ihr Geschlecht weckte. Alle murmelten ihren Dank und glitten in die wonnetrunkenen Träume der Lust, denen wir alle untertan sind.
    Schließlich kehrte Begierde in die Elfenbeinhallen zurück. Und obgleich sie voll vom Samen und vom Duft der Beseelten des Gartens war, bebten ihre Lenden noch immer. So begab sie sich unter die Erde zum heißen Sandbett ihres Vaters und nahm dort die Gestalt ihrer Mutter an. Begierde ritt ihn wilder, als ein sterblicher Mann ertragen hätte, und genoss seine göttliche Kraft, sodass Vater Sonnenknochen mitten im Rausch ihrer Lust voll erwachte. Da er sie für seine Gemahlin hielt, zog er Begierde an sich und spielte mit ihrem Körper auf jede erdenkliche Weise, zu der eine Frau sich eignet.
    Mutter Mondaugen kam nach Hause und vernahm das vielfache Stöhnen im Westen des Gartens und das Kichern ihrer Söhne. Sie stapfte ins Haus, wo Vater Sonnenknochens Glanz bereits die Wände in den rötlichen Schimmer der Morgendämmerung tauchte. Sie fand Begierde in Vater Sonnenknochens Armen vor und verbannte ihre Tochter in ihrem Zorn für ein Jahr und einen Tag in ihre Gemächer. Dann legte sich Mutter Mondaugen selbst zu Vater Sonnenknochen, um zu versuchen, ihn dazu zu bringen, wieder einzuschlafen.
    Es war zu spät. Begierde hatte die Welt geweckt. Menschen regten

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