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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Weise, die Mistress Tirelle weit in den Schatten stellte. Ihre Grausamkeit war eine jahrelange wohlberechnete, persönliche Misshandlung gewesen. Für die Wachen des Herzogs war es nur die alltägliche Gewalt.
    Sie interessierten sich gar nicht für mich. Das hatte sie wenigstens getan.
    Das ging alles vom Herzog aus. Alles, was falsch und schlecht war, jeder Schmerz und Hass, entsprang der Art und Weise, wie er sich Copper Downs untertan machte. Ich rezitierte die Worte in meinem Kopf und wartete auf meine Chance, sie gegen ihn anzuwenden.
    Nach einer Weile kam der Läufer zurück. Die Männer versammelten sich zu einer geflüsterten Besprechung und redeten ehrfürchtig von ihrem Fang. Jetzt wussten sie also, wer ich war. Eine harte Hand ergriff mich an der Schulter und zog mich auf die Beine. Ein Mann mit sanftem Gesicht und wässrigen Augen warf mir einen weinroten Uniformmantel über den Kopf. Er lachte dabei und wickelte einen Strick um meinen Hals. Ich landete unsanft auf einer gepanzerten Schulter und wurde weggeschleppt.
    Wir waren auf dem Weg zum Herzogspalast. So weit verlief alles nach Plan.
    Das hoffte ich zumindest inbrünstig.
    Der Gang des Mannes rüttelte mich derartig durch, dass meine Glöckchen vollkommen unrhythmisch und unmelodisch klimperten. Die Männer unterhielten sich nicht mehr, sodass ich keine weiteren Hinweise erhielt. Bald stiegen wir eine breite, flache Treppe hinauf. Ich konnte andere Menschen um mich herum hören.
    Was immer sie mit mir vorhatten, schien ganz öffentlich zu beginnen. Dieser Umstand ermutigte mich. Sie würden hier kein schnelles Todesurteil vollstrecken.
    Die Männer stellten mich fast behutsam auf den Boden. Meine Füße rutschten ein wenig auf etwas, das sich unter meinen weichen Lederstiefeln wie Stein anfühlte. Jemand nahm mich an der Hand und führte mich stolpernd durch weitere steinerne Gänge. Mein Training im Untergrund mit der Tanzmistress half mir, den Weg im Gedächtnis zu behalten, für den Fall, dass dieses Wissen später wichtig sein sollte.
    Während ich ging, konnte ich die Echos von den Wänden ringsum hören und wie sie sich alle Dutzend Schritte veränderten, wenn wir an einer Tür vorbeikamen. Meine Glöckchen läuteten noch, aber jetzt schwangen sie im Rhythmus meiner eigenen Bewegungen.
    Das Geräusch war zu misstönend, als dass es je das Ohr wirklich erfreuen könnte. Aber ich war dennoch froh, es zu hören. Ich fühlte mich meiner Großmutter nah, nur dass sie nicht auf eigenen Füßen zu ihrem Begräbnis geschritten war.
    Nach einer Weile betrat ich einen Teppich. Meine Stiefel knisterten leicht und rutschten auf eine neue Art. Ich konnte jetzt mehr riechen, nicht nur Staub und alten Stein, sondern auch Möbelöl und Räucherwerk und den stärker werdenden Duft von Backwerk. Türen gingen ganz in der Nähe auf und zu.
    Niemand sagte ein Wort. Wir befanden uns in der Gegenwart von Menschen, die es nicht interessierte, warum ein gefangenes Mädchen an ihnen vorbeigeführt wurde. Später würde ich die Gleichgültigkeit einer Stadt begreifen, die sich der Schreckensherrschaft eines eifersüchtigen und unsterblichen Gebieters ergeben hatte. Damals wusste ich nur, dass ich allein unter Fremden war.
    Wie immer.
    Schließlich hielt man mich an. Eine Tür ging knarrend auf. Ich roch mehr Räucherwerk und darunter etwas Fauliges. Mit einem gemurmelten »Hopp-hopp« wurde ich durchgetrieben wie ein Pferd zum Markt. Die Hände ließen mich los, als ich hineintrat. Nach einem weiteren Schritt hielt ich inne, weil ich fürchtete, mein Schienbein anzuschlagen oder über etwas am Boden zu stolpern.
    Jemand hinter mir löste den Strick von meinem Hals und zog mir den Mantel der Wache vom Kopf. Gleich darauf schlug die Tür zu.
    Ich stand verwirrt in einem erleuchteten Raum und blinzelte nach der langen Dunkelheit. Vom Herzog war nichts zu sehen. Nur ein breiter Holztisch, hinter dem der Faktor saß. Vor Zorn und Enttäuschung spürte ich einen kalten Stich im Herzen. Zwei weitere Männer mit toten Augen standen zu seiner Linken. Alle drei sahen mich ausdruckslos an, als ich die Schultern sinken ließ.
    Unser Plan war gescheitert. Das Spiel war aus.
    »Smaragd.« Die Stimme des Faktors war ruhig, so normal wie sein Gesicht, abgesehen von diesen Augen.
    »Green. Mein Name ist Green.«
    Ein Lächeln zuckte um seinen Mund. »Smaragd.« Er bewegte seine Finger, als wäre er dabei, etwas zu zählen. Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern. Drei hohe

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